Abtei Notre-Dame de l´Étanche -
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Abgelegen in einem Tal zwischen den Ortschaften Deuxnouds-aux-Bois und Creuë versteckt sich inmitten der Côtes Lorraines ein malerisches Kleinod mit Jahrhunderte alter Geschichte: die ehemalige Prämonstratenser-Abtei Notre-Dame de l´Étanche. Bei einem Besuch dieser beschaulichen und ein wenig aus der Zeit gefallenen Anlage würde man nicht auf die Idee kommen, dass hier und auf den umliegenden Maas-Höhen der Erste Weltkrieg bereits im Monat September 1914 eine entscheidende Wendung nahm. Auch 30 Jahre später, in der beginnenden Endphase des Zweiten Weltkriegs, kam es hier zu militärstrategisch verhängnisvollen Ereignissen, die es insgesamt rechtfertigen, den thematischen und zeitlichen Bogen weiter zu spannen.
l´Étanche - Vorgeschichte
Man schrieb das Jahr 1138, als durch den damaligen Bischof von Verdun, Albéron III. de Chiny, die Errichtung eines Prämonstratenser-Klosters im ländlichen Raum zwischen seinem Bischofssitz Verdun und der südlich gelegenen Benediktiner-Abtei St. Mihiel verfügt wurde. Als Standort wählte man ein abgelegenes Tal auf dem Territorium der Gemeinde Lamorville, das wegen des Namens seiner Eigentümer "Faveroles" genannt wurde. Das Kloster trug in früherer Zeit Bezeichnungen wie "les Touches" oder später "Notre Dame de l´Estanche", die allesamt auf das lateinische Wort "stagnum" und das Vorhandensein mehrerer Quellen und Teiche in dem lang gezogenen Talgrund zurückgehen. 1144 erhob Albéron de Chiny das Kloster zur Abtei. Erster Abt wurde Philippe de Belval, der zuvor bereits die 1120 neu gegründete Prämonstratenser-Abtei von Belval-Bois-des-Dames einige Kilometer westlich des Städtchens Stenay leitete. 1157 erhielt die Abtei de l´Étanche die Priorats-Rechte über den auch heute noch viel besuchten Walfahrtsort Notre-Dame-de-Benoîte-Vaux.
Die Abtei de l´Étanche wurde mehrfach in ihrer Geschichte geplündert und verwüstet, so vor allem in den Jahren 1632-1636 durch schwedische und kroatische Truppen. Nach dem Ende des 30-jährigen Krieges blieb die völlig zerstörte Anlage lange ungenutzt und wurde erst Mitte des 18. Jahrhunderts neu errichtet. Die heute vorhandenen Reste der Kirche und des Hauptgebäudes stammen aus dieser Zeit. Teile des Kellergewölbes sind der ursprünglichen Bauausführung des 12. Jahrhunderts zuzuordnen. Bezüglich der mittelalterlichen Geschehnisse sind bis auf wenige zeitgenössische Abhandlungen keine genaueren Details bekannt. Nach der Neuerrichtung der Abtei in den Jahren 1743 bis 1770 währte die klerikale Nutzung nicht lange. Im Zuge der Französischen Revolution kam es bereits 1790 zur Vertreibung der Mönche und zur staatlichen Konfiszierung des Anwesens mit den zugehörigen Ländereien. Das Kloster wurde in einen landwirtschaftlichen Betrieb umgewandelt und wechselte bis in die Neuzeit mehrfach den Besitzer.
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Côtes de Lorraine - Beginn des Ersten Weltkriegs
Der Erste Weltkrieg erreichte die Maas-Höhen und die Gegend um die Abtei de l´Étanche zu Beginn des Monats September 1914. Am 6. September 1914 begannen Teile des V. Preußischen Armeekorps mit dem Vormarsch durch die Woëvre-Ebene in Richtung auf die Côtes de Lorraine. Ursprüngliche Aufgabe war es, das Vorrücken der 5. Armee des Deutschen Kronprinzen durch ein Abschließen des Festungsgürtels um die Stadt Verdun von Osten her abzusichern. Der kommandierende General, Hermann von Strantz, hatte schon während der Operationsplanung die Möglichkeit ins Auge gefasst, den Angriff der Kronprinzen-Armee über die befohlene defensive Aufgabe hinaus durch einen Vorstoß auf die Maas-Höhen bis hinab zur Stadt St. Mihiel und die Inbesitznahme der Maas-Forts Camp des Romains, des Paroches und de Troyon zu unterstützen. Hierfür verbreiterte er den Einsatzbereich seines Korps und ließ die ursprünglich als Reserve vorgesehene 10. Infanterie-Division unter dem Befehl des Generals Robert Kosch zunächst in südliche und dann ebenfalls in westliche Richtung marschieren. Die Abschließung der Festung Verdun wurde durch die 9. Infanterie-Division und Teile des sich nördlich anschließenden V. preußischen Reserve-Korps übernommen.
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Côtes de Lorraine - erster Angriff auf die Maas-Höhen
Ohne Widerstand durchquerten die deutschen Einheiten die Woëvre-Ebene. Am 7. September 1914 ergab die Aufklärung, dass die am Ostabhang der Maas-Höhen angelegten Verteidigungsstellungen der Franzosen unbesetzt waren. Am Nachmittag dieses Tages erging durch Kronprinz Wilhelm der Befehl, dass das V. Armeekorps die Côtes de Lorraine einschließlich der Maas-Forts zu nehmen habe. Die Aufgabe hatte bereits die 10. Infanterie-Division mit der 20. Infanterie-Brigade (Infanterie-Regimenter 47 und 50) im nördlichen und der 19. Infanterie-Brigade (6. Grenadier-, 46. Infanterie- und Regiment Königs-Jäger z.Pf. Nr. 1) im südlichen Abschnitt übernommen. Die 20. Infanterie-Brigade erreichte die Gegend um die Ortschaft St.-Remy-la-Calonne und drang am folgenden Tag bis nach Vaux-les-Palameix und Dommartin-la-Montagne vor. Die 19. Infanterie-Brigade besetzte ohne nennenswerten Widerstand Deuxnouds-aux-Bois, Chaillon und Lamorville mit dem dazwischen liegenden Tal um die Abtei de l´Étanche. In den kommenden Tagen gelang es Schwadronen der Königs-Jäger zu Pferde Nr. 1, an mehreren Stellen das Maas-Tal zu erreichen, so bei Lacroix- und Rouvrois-sur-Meuse und sogar bis hinab in den Bereich der Stadt St. Mihiel. Nirgends ergab sich eine ernstliche Gegenwehr der Franzosen.
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Bereits am 8. September 1914 waren die Maas-Höhen fest in deutscher Hand. Durch General Kosch erging der Befehl an die 10. Division zur Einnahme des Forts de Troyon. Neben der schweren Korps-Artillerie, die bereits am Morgen des Tages feuerbereit war, begannen am Abend zwei 30,5 cm Skoda-Belagerungsmörser der 2. Division des Galizischen Festungsartillerie-Bataillons Nr. 5 mit der Beschießung des Forts. Die Bezeichnung dieser Einheit ist auf den ersten Blick missverständlich: Eine k.u.k. Festungsartillerie-Division verfügte über zwei Batterien mit je zwei schweren Mörsern des Typs Skoda M.11. Ein k.u.k. Artillerie-Bataillon bestand aus zwei oder mehreren solcher Divisionen. Die Angaben zur Anzahl der am Angriff auf das Fort de Troyon beteiligten Mörser fällt in den Chroniken der beteiligten Einheiten mit zwei oder vier Geschützen unterschiedlich aus. Der Einsatz eines Halbbataillons mit zwei Geschützen erscheint am wahrscheinlichsten.
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Die Österreicher waren mit ihren Motor-Zugmaschinen über die heutige D 113 von Combres-sous-lès-Côtes auf der Grande Tranchée de Calonne vorgefahren. Die Haubitzen des Typs Skoda M.11, die den Spitznamen "dreißig Ganze fünf" trugen, wurden nahe einer Biegung im Bois de Dommartin installiert, die fortan den Namen "Mörserknick" erhielt. Bis zum 09. September 1914 wurde das Fort de Troyon beschossen. Sein Kommandant, Hauptmann Francois Xavier Heym, lehnte am Mittag dieses Tages die Kapitulations-Aufforderung des als Parlamentär entsandten Majors Neuhoff entrüstet ab und rief der deutschen Verhandlungsdelegation zu: « Non! Je suis Francais ! » Darauf wurde der Beschuss wieder aufgenommen, wobei die Skoda-Mörser nach Verbrauch ihres Munitionsvorrates nicht mehr mitwirken konnten. Die Erstürmung des Forts war für den frühen Morgen des 12. September 1914 angesetzt.
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Unter dem Kommando des Führers des Niederschlesischen Pionier-Bataillons Nr. 5, Oberstleutnant Haenichen, sollten verschiedene Teile der 10. Infanterie-Division das Fort de Troyon von Osten und Süden her angreifen. In den Waldungen Monte Etot östlich und la Gauffière südlich waren Sturmausgangsstellungen angelegt worden. Nichts sprach dafür, dass sich die durch den Artilleriebeschuss bereits schwer getroffene Anlage lange würde halten können. Es kam jedoch anders.
Während bei der 5. Armee des Deutschen Kronprinzen Siegesstimmung herrschte, hatte Anfang September 1914 am nördlichen deutschen Heeresflügel bei der 1. und 2. Armee eine Entwicklung begonnen, die je nach Blickwinkel als "Wunder an der Marne" oder "Marne-Drama" den Weg in französische und deutsche Geschichtsbücher fand. Nach Ansicht vieler Historiker machte die so bezeichnete Abfolge von Schlachten und Rückzugbewegungen die spätere Niederlage Deutschlands nach nur einem Monat Kriegsdauer bereits unausweichlich.
Betrachtet man die obigen Karten, wird deutlich, wie sich das komplexe und in allen Facetten militärhistorisch analysierte Geschehen um die Marne-Schlacht letztendlich auf den kleinen Bereich der Maas-Höhen zwischen Verdun und der Stadt St. Mihiel auswirkte. Der 5. Armee war es am 01. September 1914 gelungen, nördlich Verdun die Maas zu überschreiten und in den folgenden Tagen mit vier Armeekorps in dem schmalen Streifen zwischen Maas und Argonnen weit nach Süden vorzudringen. Die Umfassung Verduns drohte, sodass die Franzosen die ursprünglich für die Verteidigung des Abschnitts zwischen Toul und Verdun vorgesehenen Einheiten größtenteils auf das westliche Maas-Ufer verlegen mussten. Daraus resultierte die Entblößung der Woëvre-Ebene und der Côtes de Lorraine. Der 10. Infanterie-Division war es möglich, zwischen Verdun und St. Mihiel quasi kampflos bis an die Maas zu marschieren. Auf dem Höhepunkt der Operation existierte zwischen den auf beiden Seiten der Maas stehenden deutschen Angriffsspitzen nur noch eine Lücke von etwa 12 Kilometern. Die womöglich kriegsentscheidende Folge eines Falls des Forts de Troyon wäre für die Franzosen die Einschließung und damit der Verlust des gesamten Festungsbereichs um die Stadt Verdun gewesen.
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Mit dem Ende der Marne-Schlacht und dem Rückzug der deutschen Armeen ausgehend des nördlichen Heeresflügels musste ab dem 12. September 1914 jedoch auch die Kronprinzen-Armee ihren erfolgreichen Vormarsch beiderseits der Maas abbrechen. Wiederholt hatte neben Vertretern der Armeeführung auch der Generalstabschef der neu gebildeten Armee-Abteilung des Generals von Strantz, Oberstleutnant Erwin Fischer, gegenüber der Obersten Heeresleitung (OHL) insistiert, man dürfe die erfolgversprechende Ausgangslage im Hinblick auf eine Wegnahme Verduns doch nicht derart leichtfertig aus der Hand geben. In Anbetracht allgemeiner Wirrnisse durch das Ausscheiden des Chefs der Obersten Heeresleitung (OHL), des Generals Helmuth von Moltke, wachsender Unsicherheit über Stärke und mögliche Angriffsabsichten der Besatzung Verduns, die zutreffend auf etwa 150.000 Mann geschätzt wurde, sowie aktueller Meldungen, wonach französische Verbände von der lothringischen Front über die Festung Toul in nördliche Richtung verschoben würden, blieb es bei den getroffenen Anordnungen. Die auf dem Westufer der Maas stehenden Einheiten der 5. Armee gingen ab dem 12. September 1914 bis nördlich der Argonnen zurück. Zur Überraschung der französischen Verteidiger wurde zeitgleich der erwartete Sturm auf das Fort de Troyon abgebrochen. Die auf den Maas-Höhen und in der Woëvre-Ebene stehenden Truppen zogen sich etwa 40 Kilometer weit bis hinter das Flüsschen Orne zwischen den Städten Étain und Conflans zurück.
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Côtes de Lorraine - zweiter Angriff auf die Maas-Höhen
Der befürchtete französische Gegenstoß blieb aus. In den hohen Stäben begann man, das übervorsichtige Agieren im Abschnitt der 4. und 5. Armee und vor allem die Preisgabe der Côtes de Lorraine und des Argonnen-Hauptkammes zu bereuen. Bereits am 16. September 1914 erging seitens der inzwischen unter dem Kommando des Generals Erich von Falkenhayn stehenden Obersten Heeresleitung (OHL) der Befehl, die Maas-Höhen erneut einzunehmen und den Sperr-Riegel der drei Maas-Forts Camp-des-Romains, des Paroches und de Troyon zu durchstoßen. Die Aufgabe wurde der Armee-Abteilung Strantz übertragen. Zu dieser gehörte jetzt das vertretungsweise seitens des Generals Adolf von Oven übernommene V. preußische sowie das aus der 6. Bayerischen Armee herausgelöste III. bayerische Armeekorps des Generals Ludwig Freiherr von Gebsattel. Die Preußen sollten erneut im Norden gegen die Côtes de Lorraine und die Forts de Troyon und Génicourt angreifen, die Bayern die Forts du Camp-des-Romains, des Paroches und die Stadt St. Mihiel einnehmen sowie im Anschluss einen Maas-Übergang erzwingen. An Stelle des V. Korps sollte die 33. Reserve-Division die Sicherung gegen die Festung Verdun übernehmen. Das XIV. Badische Korps unter dem Kommando des Generals Theodor Freiherr von Watter hatte die südliche Flanke zwischen Pont-à-Mousson und St. Mihiel gegen französische Vorstöße aus Richtung der Festung Toul zu decken.
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Am 19. September 1914 begann der erneute deutsche Vormarsch durch die Woëvre-Ebene. Neben den etwa 90.000 Infanteristen der beiden Angriffs-Korps sollte auch eine möglichst starke Artillerie unterstützend wirken. Vor allem die die Maas-Höhen beherrschenden Forts sollten durch den Einsatz schwerer und schwerster Geschütze zügig ausgeschaltet werden.
Obwohl die Franzosen aus den Geschehnissen zu Beginn des Monats September 1914 Lehren gezogen und die Verteidigung zwischen Verdun und St. Mihiel massiv verstärkt hatten, kamen die deutschen Vorhuten zur Überraschung der Kommandeure erneut ohne nennenswerten Widerstand bis an den Fuß der Maas-Höhen heran. Hintergrund war es, dass wegen einer Verkennung der deutschen Absichten die gerade erst zwischen Pont-à-Mousson und den Côtes de Lorraine in Stellung gegangene 2. französische Armee unter dem Kommando des Général de Curières de Castelnau auf Anordnung des Oberbefehlshabers der französischen Streitkräfte, General Joseph Joffre, aus der Front gezogen und zur Abwehr deutscher Angriffe in die Gegend um die nordfranzösische Stadt Amiens verlegt wurde. Von dort aus lieferten sich Deutsche und Franzosen zeitgleich den sogenannten "Wettlauf zum Meer", bei dem sich beide Seiten jeweils Richtung Nordsee zu umfassen suchten. |
Lediglich vereinzelte französische Einheiten waren zur Verteidigung im Bereich der Maas-Höhen verblieben. Südwestlich der Stadt St. Mihiel befand sich das 8. corps d´armée, das jedoch zunächst nicht kampfbereit war. Weiter nördlich im Zentrum des deutschen Angriffs stand die französische 75. division d´infanterie, mit der sich etwa 10.000 französische Verteidiger einer knapp zehnfachen deutschen Übermacht ausgesetzt sahen. Gleichwohl vermochten es die Franzosen, den deutschen Vormarsch im dicht bewaldeten Abschnitt des V. Armeekorps mit militärisch geschicktem Agieren und eiligst aus dem Bereich der Festung Verdun herangeführten Verstärkungen derart zu stören, dass den Preußen weder die Einnahme des Fort de Troyon noch das Erreichen der Maas gelingen sollte. Im Bereich der in den folgenden Monaten schwer umkämpften Combres-Höhe blieb der deutsche Angriff bereits am Ostabhang der Côtes de Lorraine liegen.
Im Abschnitt des III. bayerischen Armeekorps verliefen die Operationen günstiger. Ab dem 20. September 1914 wurden die am Fuße der Côtes de Lorraine liegenden Ortschaften eingenommen. Es hatte mehrere Tage und Nächte zuvor stark geregnet, so dass sämtliche Straßen, Wege und Felder kaum passierbar waren. Auch deswegen rechnete man auf französischer Seite nicht mit einem baldigen deutschen Angriff. Die Masse der 6. bayerischen Infanterie-Division mit der 11. und 12. Infanterie-Brigade war jedoch ab dem 19. September 1914 vor Allem über die große Straße von Chambley nach Vigneulles-les-Hattonchâtel (heutige D 901) zügig bis in den Bereich der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straße Woël - St. Benoît (heutige D 904) vorgerückt. Die 5. bayerische Infanterie-Division folgte dahinter, ebenso unter erheblichen Schwierigkeiten die gesamte Korps-Artillerie, einschließlich der schweren und schwersten Batterien. Bereits für den Folgetag erging mangels nennenswerter französischer Gegenwehr der Befehl, den Ostabhang der Maas-Höhen zu ersteigen und die vorgesehenen Artillerie-Schutzstellungen für die Beschießung der Maas-Forts einzunehmen.
Während im südlichen Abschnitt durch die 12. Infanterie-Brigade mit ihren Regimentern K.B. IR 6 und K.B. IR 11 noch bis in den Vormittag des 21. September 1914 um die von den Franzosen zäh verteidigte Ortschaft Vigneulles-les-Hattonchâtel gerungen wurde, war es der 11. Infanterie-Brigade mit den Regimentern K.B. IR 10 und K.B. IR 13 bereits im Morgengrauen gelungen, zwischen Viéville-sous-les-Côtes und Hattonville die Maas-Höhen zu erklimmen. Die wenigen französischen Verteidiger der bastionsartig auf einem Bergkegel in die Woëvre-Ebene ragenden Ortschaft Hattonchâtel hatten sich in das große Waldgebiet des "Fôret Domaniale de la Montagne" südwestlich der Tranchée de Calonne zurückgezogen. In den Parzellen "Raquatet" und "de l´Étanche" kam es gegen Mittag des 21. September 1914 zu ersten ernsthaften Zusammenstößen mit französischer Infanterie.
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Hierbei traten Verluste in den Reihen des die Angriffsspitze bildenden 10. bayerischen Infanterie-Regiments "König" ein. Unter den Gefallenen waren die Brüder Karl und Georg Kreichauf, geboren in Sülzburg/Oberpfalz, sowie Josef Ahorn aus Hohenwart/Oberbayern. Die Brüder Kreichauf stammten aus einer Familie mit insgesamt sechs Kindern. Der Landwehrmann Georg Kreichauf fand 1881 in Wendelstein eine neue Heimat, arbeitete hier als Tagelöhner und heiratete. Als vierfacher Vater wurde er unmittelbar bei Kriegsbeginn zur 9. Kompanie des 10. K.B. Infanterie-Regiments eingezogen und marschierte wie sein Bruder Karl, der als Bäcker ebenfalls in Wendelstein ansässig wurde, im gleichen Regiment Richtung Frankreich. Als „Tambourgefreiter“ diente Karl Kreichauf bei der 11. Kompanie des 10. K.B. Infanterieregiments. Das Schicksal wollte es, dass beide Brüder gemeinsam mit dem Gefreiten Josef Ahorn am 21. September 1914 in den Kämpfen auf den Maas-Höhen oberhalb Viéville-sous-les-Côtes ums Leben kamen.
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Die drei Gefallenen wurden zunächst nahe einem Wegestern an der Tranchée de Calonne etwa zwei Kilometer östlich Hattonchâtel beigesetzt. Der Bereich erhielt später zusammen mit einem dort errichteten Feldbahn-Bahnhof den Namen"Ludwigshöhe". Auf Veranlassung ihrer Kameraden wurde an der Grabstelle ein aus Sandstein gefertigtes Denkmal errichtet. Bis in das Jahr 2014 kaum beachtet und dem Verfall preisgegeben, wurde es am 20. September 2014 im Beisein kommunaler Vertreter und bayerischer Abordnungen in frisch renoviertem Zustand erneut feierlich eingeweiht. Bereits kurz nach Kriegsende waren die sterblichen Überreste der drei Soldaten in ein Kameradengrab auf der deutschen Kriegsgräberstätte Viéville-sous-les-Côtes überführt worden. Dort ruhen sie noch heute.
Abgesehen von solch vereinzelten Scharmützeln vermochten die französischen Verteidiger das Vordringen der 11. bayerischen Infanterie-Brigade nur unwesentlich zu verzögern. Während einer Kampfpause klärten Patrouillen innerhalb des Waldgebietes "La Montagne" auf. Es ergab sich, dass sich die Franzosen offenbar weit in Richtung des Maas-Tales zurückgezogen hatten. Gegen 16.30 Uhr traten die bayerischen Regimenter den weiteren Vormarsch an. Die Route führte das K.B. IR 10 durch das Tal des Aviaux-Bachs (Ruisseau des Aviaux) über die ehemalige Abtei de l´Étanche in Richtung Lavignéville. Auf dem kahlen Bergrücken östlich des Dorfes (damals Lavignéville-Rücken, heute Gemarkung Gros Lot), war eine Schutzstellung für die nachfolgende bayerische Feldartillerie anzulegen. Entsprechendes war dem K.B. IR 13 befohlen und zwar etwas weiter südlich im Bereich des Vatilary-Waldes und der sich Richtung Chaillon anschließenden Erhebung. Für den nächsten Tag war beabsichtigt, das große Waldgebiet des Fôret de la Picanterie in Richtung der Stadt St. Mihiel zu besetzen, um es der schweren Artillerie zu ermöglichen, ihre an der Straße zwischen Lavignéville und Savonnières (heutige D 162) vorgesehenen Feuerstellungen gegen die Forts du Camp des Romains und des Paroches einzunehmen.
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Am Abend des 21. September 1914 hatte der Großteil des 10. und 13. bayerischen Infanterie-Regiments die vorgesehenen Positionen auf den Höhen östlich der Orte Lavignéville und Chaillon erreicht. Dem K.B. IR 11 war es nach kampfloser Einnahme der Orte Savonnières und Varvinay weiter südlich gelungen, Sicherungen bis auf die Höhen des Bois de Verzel vorzuschieben. Bei der 11. bayerischen Infanterie-Brigade kam es jedoch zu Schwierigkeiten. Diese resultierten daraus, dass die nördlich anschließenden Regimenter 47 und 50 des V. preußischen Armeekorps nicht voran gekommen waren. Am südwestlichen Rand des ausgedehnten Bois de Lamorville waren über die Ortschaft Deuxnouds-aux-Bois lediglich Teile des 1. Posenschen Feldartillerie-Regiments Nr. 20 in Stellung gegangen. Das K.B. IR 10, das am Morgen des 22. September 1914 mit dem III. Bataillon die Ortschaften Lavignéville und Lamorville nehmen und mit dem I. Bataillon durch den Spada-Wald über die Parzellen Gilaumont, le Chanot und Narmont in Richtung der Maas vorstoßen sollte, wurde von starken französischen Truppen aus Richtung Lacroix- und Rouvrois-sur-Meuse angegriffen. Trotz massivster Verluste gelang es den Franzosen, über den Selouse-Wald bis in den Bois de Lamorville vorzudringen und die nördliche Flanke der Bayern zu bedrohen. Lediglich durch beherzten Einsatz der preußischen und bayerischen Feldartillerie sowie im letzten Moment doch noch zur Unterstützung erschienener Teile des preußischen Infanterie-Regiments 47 gelang es, den französischen Angriff abzuwehren.
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Als die Soldaten beider Regimenter nach den Kämpfen aufeinander trafen, kam es zu kuriosen Szenen. Regimentschef des 10. bayerischen und des 47. preußischen Infanterie-Regiments war jeweils König Ludwig III. von Bayern. Die aus der Provinz Posen, also weit aus dem Osten des Deutschen Reichs stammenden preußischen Soldaten trugen ebenfalls bayerische Uniformen sowie die Insignien des Königs in Form einer Krone und darunter ein "L" auf den Schulterklappen. Ein Auseinanderhalten der Truppenzugehörigkeit war dadurch schwierig, die Verständigung der Soldaten untereinander gleichwohl kaum möglich. Dies löste eine gewisse Skepsis von Seiten der Bayern aus, die jedoch schnell verflog. Letztendlich wurde noch am gleichen Tag die Tatsache, dass beide Königsregimenter Seite an Seite gekämpft hatten, an den Hohen Regimentsinhaber nach München telegrafiert. Am 26. September 1914 erfolgte von Seiten des bayerischen Königs eine anerkennende Antwort.
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Da die Bayern nach dem Ende der Kämpfe keine weitere Unterstützung benötigten, zogen sich die Preußen wieder in Richtung Deuxnouds-aux-Bois zurück. Weiterhin war es den Einheiten der 10. preußischen Infanterie-Division nicht gelungen, Boden gut zu machen. Insofern blieb der Frontverlauf nördlich der Ortschaft Lamorville unklar. Das II. Bataillon des K.B. IR 10 bezog als Reserve Quartier auf dem Gelände der ehemaligen Abtei de l´Étanche. Bis zum 23. September 1914 gelang den Bayern sodann die vollständige Einnahme des Spada-Waldes bis zu den an der Maas gelegenen Höhen 322 und 331 (Côte Ste Marie). Die weitere Entwicklung der Kämpfe in der Lücke von Spada (la Trouée de Spada) und des bis in den Monat September 1918 andauernden Stellungskrieges wird in dem diesbezüglichen Fachbeitrag genauer dargestellt.
Bereits in der Nacht vom 22. auf den 23. September 1914 hatte der Großteil der Artillerie die vorgesehenen Stellungen zur Beschießung der Maas-Forts eingenommen. Südlich Buxières-sous-les-Côtes nahe der heutigen D 908 waren erneut die beiden 30,5 cm Skoda-Mörser der 2. Division des Galizischen Festungsartillerie-Bataillons Nr. 5 in Stellung gegangen. Als Ziele waren ihnen die Forts de Liouville und Camp des Romains zugewiesen.
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Gemeinsam mit den österreichischen Skoda-Mörsern kamen auch drei schwere Geschütze aus deutscher Produktion zum Einsatz. Eines davon war die von der Firma Krupp hergestellte und zu Kriegsbeginn einzige mobile Haubitze des Typs "schwerer Küsten-Mörser L/12 (i.R.)" mit einem Kaliber von 28 cm. "i.R." bedeutete "in Räderlafette". Stationäre Modelle dieses Typs waren unter Anderem auf der Insel Helgoland sowie als "Batterie Bismarckberg" zur Küstenverteidigung der deutschen Kolonie Kiautschou mit ihrer Hauptstadt Tsingtau im Einsatz. Ende August 1914 wurde das mobile Gerät L/12 (i.R.) durch die frisch aufgestellte schwere Küsten-Mörser-Batterie Nr. 7 (SKM 7) unter dem Kommando des Hauptmanns Kruft auf dem Gelände der Firma Krupp in Essen übernommen. Über den großen Güterbahnhof Köln-Ehrenfeld ging es Richtung Westfront.
Daneben gelangten zwei weitere von der Firma Krupp entwickelte Spezialgeschütze auf die Maas-Höhen und zwar mit der zu Kriegsbeginn ebenfalls neu aufgestellten schweren Küsten-Mörser-Batterie Nr. 2 (SKM 2) unter dem Kommando des Hauptmanns von Theobald. Es handelte sich zwar auch um Festungs-Artillerie, jedoch entgegen meist anderweitiger Darstellung nicht um weitere Modelle mit 28 cm Rohrdurchmesser, sondern um Haubitzen des Kalibers 30,5 cm. Sie trugen die technische Bezeichnung "schwerer Küsten-Mörser L/08 (i.R.)" und wurden in späterer Ausführung "Beta-Gerät" genannt. Mehrere dieser Geschütze kamen von Beginn des Krieges an auch anderenorts und später vor allem in den Kämpfen bei Verdun zum Einsatz. Das Besondere war, dass sie ursprünglich für die stationäre Verwendung konzipiert waren und nunmehr mit ihrer massiven Zerstörungskraft für den mobilen Fronteinsatz zur Verfügung standen. Möglich wurde das durch spezielle Metall-Lafetten auf eisernen Fahrwerken und futuristisch wirkende dampf- oder benzolbetriebene Zugmaschinen, die ursprünglich für landwirtschaftliche Zwecke gedacht waren. So konnte an quasi jedem Einsatzort binnen etwa vier Stunden Feuerbereitschaft hergestellt werden.
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Wie auch die österreichischen 30,5 cm Skoda-Mörser M.11 wurden die deutschen Küsten-Mörser zunächst gegen das Fort du Camp des Romains eingesetzt. Über die genauen Abläufe bei der schweren Küsten-Mörser-Batterie 2 ist mangels auswertbarer Quellen bis auf die wenigen obigen Fotos kaum etwas herauszufinden. Hingegen ist in russischen Archiven das Kriegstagebuch der schweren Küsten-Mörser-Batterie Nr. 7 erhalten geblieben, aus dem sich interessante Details ergeben. Danach erreichten beide Batterien per Eisenbahntransport am 21. September 1914 den strategisch wichtigen Bahnhof Chambley. Wegen Verzögerungen aufgrund des Ausfalls mehrerer Benzol-Traktoren und den sehr schlechten Straßenverhältnissen konnten die Batterien auf der heutigen D 901 über St. Benoît, Vigneulles und Creuë erst am Morgen des 23. September 1914 in ihre Feuerstellungen einrücken.
Das 28cm-Geschütz der schweren Küsten-Mörser-Batterie Nr. 7 nahm Aufstellung 400 Meter nordwestlich von Savonnières-en-Woëvre in der Nähe der damals noch vorhandenen Mühle. Um 14.30 Uhr begann der Beschuss des etwa 8.700 m entfernten Fort du Camp des Romains. Bis zum 24. September 1914 wurden insgesamt 80 Granaten verfeuert. Am Tag der Einnahme des Forts, dem 25. September 1914, schwieg die Batterie wegen Munitionsmangels. Am selben Tag wurde ein Stellungswechsel vollzogen, um hiernach das Fort des Paroches beschießen zu können. |
Die neue Feuerstellung lag etwa 400 m südöstlich Varvinay an der heutigen D 162. Bis Anfang November 1914 beschoss die Batterie das Fort des Paroches und auch andere Ziele, insbesondere die französischen Stellungen und Bereitstellungsräume im Bereich des Bois Brûlé. Am 08. November 1914 wurde die Batterie herausgezogen und weiter nördlich in der Woëvre-Ebene eingesetzt. Ab Februar 1916 nahm sie an der Schlacht bei Verdun teil.
Côtes de Lorraine - Kriegsverlauf bis Herbst 1916
Mit dem Abflauen der Kämpfe im Spada-Abschnitt zum Ende des Monats September 1914 und der Konsolidierung der Front zum Stellungskrieg änderte sich auch die Belegung der einzelnen Unterkunftsräume. Frontnah wurden zumeist Kommando-Einheiten der Feldartillerie in geeigneten Objekten untergebracht, um möglichst schnellen Kontakt zu den einzelnen Geschütz- und Beobachtungsstellungen zu erhalten.
Im Fall der Abtei Notre-Dame de l´Étanche betraf dies das Königlich-Bayerische 3. Feldartillerie-Regiment "Prinz Leopold" (K.B. FAR 3). Die zuvor in der Anlage und der südlich gelegenen "Mühlen-Ferme" untergebrachten Teile der Infanterie-Regimenter K.B. IR 10 und 13 wechselten in andere Unterkünfte, die nach und nach in den umliegenden Ortschaften, vor allem in Deuxnouds-aux-Bois, Creuë, Chaillon, Varvinay und den in den Waldungen errichteten Truppenlagern entstanden. Zu Letzteren gehörten über die gesamte Kriegsdauer die jedem St.-Mihiel-Kämpfer bekannten Lager Königsmulde und Kaiserschlag im heutigen Forêt Domaniale de la Pitancerie. |
Der am 21. September 1914 vorrückenden Infanterie hatte die 5. Batterie des K.B. FAR 3 bereits Feuerschutz gegeben. Sie hatte ihre Geschütze im Geleit des K.B. IR 10 auf dem lang gestreckten Lavignéville-Rücken (heutige Gemarkung Gros Lot) in vorderster Linie aufgestellt. Ihr Stab nahm für die Nacht Quartier in den Gebäuden der Abtei de l´Étanche. Am 22. September 1914 erreichte nach und nach die gesamte I. Abteilung des K.B. FAR 3 den Bereich des Étanche-Schlosses sowie des Lavignéville-Rückens und brachte dort ihre 7,7 cm Feldkanonen des Typs 96 n/A in Stellung. Deren kompromissloser Einsatz war maßgeblich verantwortlich für die Abwehr des französischen Angriffs auf die Einheiten des K.B. IR 10 im Rahmen des an diesem Tag stattfindenden Gefechts bei Lamorville.
Die Nacht auf den 23. September 1914 verbrachten die Artilleristen der I. Abteilung in ihren Feuerstellungen auf dem Lavignéville-Rücken. Die II. Abteilung, die als Verfügungstruppe des Artilleriekommandeurs des III. bayerischen Armeekorps eingesetzt war, bezog Unterkunft in Hattonchâtel und Viéville. Der Regimentsstab der I. Abteilung und ihr Kommandeur, Oberst Macher, nächtigten in Creuë, das für den Zeitraum von knapp zwei Jahren das Standquartier des Regiments werden sollte. Obwohl im September 1914 noch niemand damit rechnete, verblieb das K.B. FAR 3 bis August 1916 im Bereich des Spada-Abschnitts und der Abtei de l´Étanche.
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Am 25. September 1914 fiel nach mehrtägigem Artilleriebeschuss des Fort du Camp des Romains in die Hände der Bayern und preußischer Pioniere. In den Tagen zuvor war es den Regimentern K.B. IR 10 und 13 gelungen, den gesamten Bereich des Spada-Waldes bis zu den die Maas überragenden Höhen 322 und 331 (Côte Ste Marie) einzunehmen. Für die ab Oktober 1914 einsetzende Zeit des Stellungskrieges lautete der Befehl an das K.B. FAR 3: "Unterstützung der Infanterie beim Festhalten der gewonnenen Stellungen."
Im Laufe des Winters 1914/15 kam es zu einer Aufteilung des Regimentsabschnitts in drei Unterabschnitte. Für diese bürgerten sich die Namen "Gruppe Waldlager" (St. Mihiel bis Höhen 331 und 322), "Gruppe Volk", später "Manz", dann "Ahles" (zentraler Spada-Abschnitt) sowie im Norden "Gruppe l´Étanche" (Lamorville - Senonville) ein. Ab dem Sommer 1915 wurde die mittlere Gruppe aufgelöst und es verblieben die Gruppen "Waldlager" sowie "l´Étanche". Die Grenze beider Unterabschnitte verlief in der Mitte des Chanot-Waldes. Das Stabsquartier der "Gruppe Waldlager", die der II. Abteilung des K.B. FAR 3 entsprach, wurde im Lager Kaiserschlag an der heutigen D 910 zwischen St, Mihiel und Chaillon eingerichtet. Stab und Tross der nördlichen "Gruppe l´Étanche", bestehend aus der I. Abteilung des K.B. FAR 3, bezog Quartier in den Gebäuden des l´Étanche-Schlosses sowie eines zwischenzeitlich errichteten Lagers in der näheren Umgebung. |
Bis zum Jahresende 1914 versuchten die Franzosen, die deutschen Truppen von den Maas-Höhen zurück zu drängen. Sie erlitten erhebliche Verluste und erreichten lediglich, dass die deutschen Stellungen, vor Allem im südlichen Teil des Frontbogens von St. Mihiel, massiv ausgebaut wurden. Ab dem Jahresbeginn 1915 kehrte im Nordabschnitt eine Phase der Ruhe ein. Das Augenmerk richtete sich auf andere Bereiche, so vor allem auf den Bois d´Apremont, den Bois d´Ailly und den für mehrere Monate hart umkämpften Bois Brûlé mit seiner Feldschanze.
Schwere Kämpfe entbrannten im Lamorville-Abschnitt und bei der Gruppe l`Étanche wieder ab Beginn des Monats April 1915. Der Oberbefehlshaber der provisorischen französischen Heeresgruppe Ost (Groupe provisoire du l'Est), General Augustin Dubail, hatte am 14. März 1915 die Ankündigung der militärischen Führung erhalten, dass die Wegnahme des gesamten Frontbogens von St. Mihiel beabsichtigt sei.
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Die Vorbereitungen für das Unternehmen waren am 4. April 1915 abgeschlossen. Im Norden sollte eine Angriffsgruppe in Richtung Lachaussée vorgehen, südlich war ein konzentrischer Vorstoß über Thiaucourt und dadurch die Abschnürung der deutschen Truppen innerhalb des Frontbogens geplant. Bereits ab dem 18. März 1915 hatten französische Angriffe auf der Combres-Höhe (Les Éparges) eingesetzt und die deutsche Verteidigung stark in Mitleidenschaft gezogen. Auch bei der 5. Landwehr-Division in der Woëvre-Ebene kam es bereits ab dem 4. April 1915 zu schweren Kämpfen, die später als "Frühjahrsschlacht zwischen Maas und Mosel" bezeichnet wurden.
Betroffen von den französischen Offensivbemühungen war auch der kleine Abschnitt zwischen den Ortschaften Seuzey und Lamorville. Hier versuchten starke französische Kräfte ab dem 07. April 1915 mit massiver Artillerieunterstützung, aus dem Selouse-Wald heraus die von preußischen und bayerischen Truppen gehaltenen Stellungen am Westrand des Bois de Lamorville zu durchbrechen. |
An der dortigen Schnittstelle zwischen dem V. preußischen Armeekorps im Norden und dem III. bayerischen Armeekorps im Süden stand zu diesem Zeitpunkt neben dem bereits seit September 1914 dort eingesetzten K.B. IR 10 das preußische Reserve-Infanterie-Regiment 67. Im Austausch gegen die Einheiten der 10. Infanterie-Division war es als Teil der 33. Reserve-Division erst wenige Tage zuvor aus den schweren Kämpfen auf der Combres-Höhe (Les Éparges) herausgezogen und in den vermeintlich ruhigen Abschnitt nahe Lamorville verlegt worden. In den folgenden Tagen wurde es in intensive Kämpfe mit zahlenmäßig stark überlegenem Feind verwickelt. Dabei trat neben dem 8. Königlich-Bayerischen Infanterie-Regiment, das als Verstärkung eingesetzt werden musste, auch die 1. und 2. Batterie des K.B. FAR 3 aus ihren Stellungen auf dem Lavignéville-Rücken westlich des l´Étanche-Schlosses in Aktion. Wie schon am 22. September 1914 gelang es mit der Unterstützung der bayerischen Artillerie, die französischen Angriffe abzuweisen.
Mitte April 1915 konnte die französische Offensive zwischen St. Mihiel und Verdun als gescheitert angesehen werden. In anderen Abschnitten an der südlichen Flanke des Frontbogens (Bois le Prêtre, Bois Brûlé, Bois d´Ailly) kam es zwar noch zu vereinzelten Kämpfen. Nach und nach flauten jedoch auch diese ab.
Trotz massivsten Truppen- und Artillerieeinsatzes war es den Franzosen nicht gelungen, an irgendeiner Stelle nennenswert Boden gutzumachen. Geringe Erfolge im Bereich der Grande Tranchée de Calonne und der Combres-Höhe (Les Éparges) waren mit insgesamt sehr hohen Verlusten erkauft worden. Allein vor den deutschen Schützengräben am Westrand des Lamorville-Waldes, auf nur einem Kilometer Frontbreite, wurden etwa 700 gefallene Franzosen gezählt. Mit ihren damals noch roten Hosen blieben viele von ihnen bis in das Jahr 1916 auf der schmalen Blöße zwischen Selouse-Wald und Bois de Lamorville liegen.
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Die französischen Geländegewinne auf der Combres-Höhe (Les Éparges) und westlich anschließend in Richtung der Grande Tranchée de Calonne waren zwar von ihrer Ausdehnung her überschaubar. Sie bargen aber die Gefahr einer Umfassung der exponierten deutschen Positionen auf dem weit in die Woëvre-Ebene hinein ragenden Combres-Bergrücken. Von dort hätten die Franzosen eine exzellente Beobachtungsmöglichkeit in das gesamte deutsche Hinterland bis zum Mosel-Tal erhalten. Dadurch wäre eine Behauptung des Frontbogens von St. Mihiel unmöglich geworden.
Entlastung sollte ein Vorstoß des verstärkten V. preußischen Armeekorps (9., 10. und 111. Infanterie-Division) bringen, der als Ziel die französische Hauptstellung auf der Côte des Hures hatte sowie ein Vorschieben der vorderen Linien beidseitig der Grande Tranchée de Calonne bis in den Bois Haut und die Gemarkung le Taillis de Saulx. |
Am 24. April 1915 traten die holsteinischen Regimenter 73 und 76 beidseitig der Grande Tranchée de Calonne zum Sturm an. Dieser gelang und führte die Angriffstruppen bis auf die Höhe 381 hart westlich des "Mouilly-Kreuzes" (Straßenkreuz D 113/DS 3a). Östlich in Richtung St.-Rémy gelang es bis zum 25. April 1915, die französischen Stellungen auf der Côte de Sât zu nehmen und durch das Tal des Genousevaux-Bachs bis auf den Bergrücken südlich des Ortes les Éparges vorzustoßen. Auf Grund seiner Geländeform trug dieser den Namen "Hummerschere". Entgegen der Empfehlung des Generalkommandos V ordnete das Oberkommando der Armee-Abteilung Strantz die Fortsetzung des Angriffs an und insoweit auch die Einnahme der französischen Stellungen auf der Combres-Höhe. Der weitere Sturm misslang. Bis zum 07. Mai 1915 wurden die Angriffe immer wieder erneuert, dies auch mit immer neuen Kräften. Sie blieben allesamt erfolglos und führten zu sehr hohen Verlusten.
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Mit diesen Kämpfen endete die Zeit größerer Angriffsoperationen im Frontbogen von St. Mihiel. Es begann der Stellungskrieg. Dort, wo die feindlichen Grabensysteme dicht beieinander lagen, die Geländebeschaffenheit es zuließ und für Sturmangriffe kein Erfolg mehr zu erwarten war, verlegte sich die Kriegführung auch unter die Erde. Es kam zum Minenkrieg. Betroffen hiervon waren neben der Combres-Höhe (Les Éparges) auch andere Abschnitte im Frontbogen wie der Ritterwald (Bois les Chevaliers) nördlich Seuzey, der Ailly-Wald (Bois d´Ailly) mit seinem "Scharfen Eck" sowie der Mort-Mare-Wald (Bois de Mort Mare) und der Bois de la Sonnard nördlich Flirey. Die eindrucksvollen Überreste dieser heimtückischen Waffe in Form großer Sprengtrichter findet man an den genannten Stellen noch heute.
Im Lamorville- und Spada-Abschnitt hatten die Kämpfe bereits mit dem Ende der französischen Offensive im April 1915 ihren vorläufigen Abschluss gefunden. Von den fortdauernden Gefechten anderenorts war hier nur das dumpfe Grollen der Artillerie und des Minenkampfes zu vernehmen. Ansonsten beschränkten sich die gegenseitigen Aktionen auf Patrouillenvorstöße und den verstärkten Ausbau der Stellungssysteme sowie logistischer Versorgungseinrichtungen aller Art. Im Bereich der Abtei de l´Étanche und der zwischenzeitlich errichteten Truppenlager "l´Etanche-Schloss" und "Mühlen-Ferme" war auch über den Jahreswechsel 1915/1916 Stab und Tross der Artillerie-Gruppe "l´Etanche" (I./K.B. FAR 3) untergebracht, ebenso wechselnde Teile des K.B. IR 10 wie beispielsweise die Maschinengewehr-Kompanie. Vor Allem pferdebespannte Einheiten fanden wegen der Stallungen und Weiden des vormals landwirtschaftlich genutzten Anwesens eine ideale Unterkunft. In den einschlägigen Truppengeschichten wird berichtet, dass auf den weitläufigen Wiesenflächen regelmäßig Exerzier- und Schießübungen abgehalten wurden und auch Truppenparaden stattfanden.
Ab dem Monat April 1916 hatte die trügerische Ruhe ein Ende. Die Anwesenheit deutscher Einheiten war den Franzosen durch ihre immer intensiver werdende Luftaufklärung nicht verborgen geblieben. Obwohl das Gebiet um die ehemalige Abtei de l´Étanche durch die steilen Abhänge des Roquant-Bergrückens gut geschützt war, gelang es der französischen Artillerie, es mit Steilfeuer zu fassen. Am 17. April 1916 verlegten deshalb die dort untergebrachten Teile des K.B. FAR 3 in das "Creuë-Bach-Lager" nördlich der Ortschaft Creuë. Die bei l´Étanche zunächst verbliebenen Teile des K.B. IR 10 gaben die Anlage im Mai 1916 wegen des anhaltenden Artilleriebeschusses auf und verlegten in die umliegenden Ortschaften und Truppenlager.
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Im Juni 1916 endete der kontinuierliche Truppenseinsatz an der westlichen Flanke des Frontbogens von St. Mihiel. Das III. bayerische Armeekorps wurde nach knapp zwei Jahren Stellungsdienst herausgezogen und in das Zentrum der Schlacht bei Verdun (Fleury, Thiaumont, Wabengräben, Froideterre) geworfen. Den Abschnitt zwischen Lamorville- und Spada-Wald übernahm das von ebendort kommende K.B. IR 2 als Teil des nunmehr zur Armee-Abteilung Strantz wechselnden I. bayerischen Armeekorps. Von jetzt an diente der Abschnitt nicht mehr kampffähigen Einheiten aus den Großschlachten der Westfront in kurzen Abständen zur Erholung und Eingliederung von Truppenersatz. Auch die Abschnittsaufteilung wechselte häufig, so dass sich keine Bindung einzelner Regimenter an bestimmte Stellungen, Lager oder Unterkunftsorte mehr ergab.
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Bereits im Oktober 1916 wurde das K.B. IR 2 in die Schlacht an der Somme abtransportiert, um völlig abgekämpft und dezimiert nach nur zwei Wochen erneut im St.-Mihiel-Bogen zu stehen. Den auf etwa 14 Kilometer verbreiterten Frontabschnitt zwischen Seuzey und Spada , der inzwischen den Spitznamen "Sanatorium des Westens" erhalten hatte, übernahm die hessische 25. Infanterie-Division. Bis in das Jahr 1918 folgten preußische Truppen bayerischen Kontingenten nach, jeweils unterstützt durch einzelne Landwehr- und Landsturmeinheiten.
Côtes de Lorraine - Entwicklung bis in das Jahr 1918 - Stellungsbau
Im Frühjahr 1918 war von deutscher Seite die stetig steigende Präsenz amerikanischer Truppen im Bereich des Frontbogens von St. Mihiel registriert worden. Zu ersten ernsthaften Auseinandersetzungen kam es bei deutschen Erkundungsvorstößen Anfang April 1918 im Bereich des Sonnard-Waldes, des Bois de Mort Mare und der Ortschaft Seicheprey (Operation Kirschblüte). Gefangenenaussagen erhärteten die Annahme, dass sich Franzosen und Amerikaner für einen baldigen Großangriff rüsteten.
Diese Entwicklung kam für die deutsche Seite keineswegs überraschend. Es war unzweifelhaft, dass der Frontbogen im Falle eines alliierten Großangriffs mit amerikanischer Beteiligung, jedenfalls wenn er von beiden Flanken aus geführt würde, nicht zu halten war.
Ab Mitte 1916, als sich die Kräfteverhältnisse deutlich zugunsten der Alliierten verschoben, wurde an verschiedenen Abwehrstrategien gearbeitet. Diese sahen zunächst eine starke Tiefengliederung der Stellungssysteme vor, wie es den Ende Juni 1916 vom Kriegsministerium herausgegebenen "Vorschriften für den Stellungskrieg für alle Waffen" entsprach. Der Großkampf sollte fortan nicht mehr in, sondern um Stellungen und in Verteidigungszonen geführt werden. Dies bedeutete auch für den Frontbogen von St. Mihiel die Errichtung mehrerer gestaffelter Verteidigungslinien. Bei der Armee-Abteilung Strantz (später C) lag die Planung und Durchführung dieser Maßnahmen letztendlich in den Händen des Generals der Pioniere 13, Johannes Schroeter. Hinter der die Hauptverteidigung tragenden "Wilhelm-Zone" wurde eine Auffang-Linie vorgesehen, die, zunächst als V-Stellung bezeichnet, später den Namen "Schroeter-Zone" erhielt. Diese sollte, aus dem Montagne-Wald kommend, nördlich des l´Étanche-Schlosses auf der Côte de Roquant verlaufen, sodann das Tal des Aviaux-Bachs queren und auf den Lavignéville-Rücken hinüberwechseln.
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Nur vereinzelt kam es durch Schaffung von stützpunktartigen Grabenstücken und Stollenbau zu einer effektiven Umsetzung des Vorhabens. Grund hierfür war eine krisenhafte Entwicklung im nördlichen Teil der Westfront, die die gesamte militärische Aufmerksamkeit auf sich zog. Zwar konnten dort die alliierten Durchbruchsversuche des Jahres 1916 abgewiesen werden. Wegen der hohen Verluste war aber davon auszugehen, dass neuen Großangriffen der Franzosen, Engländer und ihrer Verbündeten, die bereits für das Frühjahr 1917 zu erwarten waren, nicht mehr standzuhalten sein werde. Die Situation verschärfte sich im August 1916 durch den Kriegseintritt Rumäniens an der Seite Russlands. Der Chef der Obersten Heeresleitung Erich von Falkenhayn trat zurück. Es übernahm das Feldherren-Duo Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff. Am 2. September 1916 wurde die Einstellung aller Angriffe vor Verdun angeordnet. Am 15. September 1916 erging der Befehl an die Heeresgruppen zur beschleunigten Schaffung rückwärtiger Stellungssysteme, die der Frontverkürzung, Truppeneinsparung und absehbar notwendig werdenden strategischen Rückzugsoperationen dienen sollten.
Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht hatte eine rückwärtige Stellung auf der Linie Arras - Laon zu planen. Hieraus entstand die vielfach beschriebene Siegfried-Stellung. Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz wurde angewiesen, einen Komplett-Rückzug aus dem St.-Mihiel-Frontbogen auf eine Sehnenstellung zwischen Verdun und Pont-à Mousson vorzubereiten. Daraus resultierend erging am 23. September 1916 der Befehl zum Bau der "Maas-Mosel-Stellung", der späteren "Michelstellung".
Der Schwerpunkt des Stellungsbaus lag jedoch bis in das Frühjahr 1917 im Bereich der Siegfried-Stellung, wo die erwarteten alliierten Offensivbemühungen im Wesentlichen auch erfolglos blieben. Entsprechende Großprojekte an anderen Fronten ruhten in dieser Zeit. Im St.-Mihiel-Bogen fokussierte sich erst ab Herbst 1917 die Bautätigkeit wieder auf den Ausbau der Stellungssysteme, einschließlich der Schaffung einer rückwärtigen Sehnenstellung, der Michelstellung.
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Für die Schroeter-Zone bedeutete diese Entwicklung den endgültigen Ausbaustopp. Die wenigen bereits vorhandenen Stellungsteile sollten gemäß einer Anweisung der Armee-Abteilung C vom 16.09.1917 (Ia. Nr. 2200 geh.) durch die jeweiligen Stellungsdivisionen lediglich in ihrem Bauzustand und ihrer Verteidgungsfähigkeit erhalten werden.
Abgesehen von einzelnen Stützpunkten entlang des geplanten Zonenbereichs war es zu größeren stellungsbaulichen Aktivitäten ohnehin nur in denjenigen Bereichen des Frontbogens gekommen, wo gemäß den Erfahrungen des Jahres 1915 mit alliierten Angriffen am ehesten zu rechnen war. An der westlichen Flanke waren dies der Combres-Abschnitt sowie das Umfeld der Lücke von Spada.
Auf dem Bergrücken oberhalb des l´Étanche-Schlosses, wo die Schroeter-Stellung durch den ausgedehnten Roquant-Wald verlief, finden sich insofern einzigartige Überbleibsel in Form einer Kette von Stützpunkten nebst zugehöriger Stollenbauten und Reste vorgelagerter Drahthindernisse. Größe sowie Zustand der Grabenstücke und Stollen legen nahe, dass zwar die Grabungs- und Minierarbeiten abgeschlossen wurden, der sonstige Innenausbau der teilweise sehr großen Anlagen jedoch unterblieb. |
Côtes de Lorraine - alliierte Offensive ab dem 12. September 1918
Fernab des ruhigen Frontabschnitts zwischen Verdun und St. Mihiel und auch abseits der rein militärischen Geschehnisse kam es im Verlauf des Jahres 1917 zu zwei wesentlichen gesamtpolitischen Entwicklungen, die sich entscheidend erst im Kriegsjahr 1918 auswirken sollten. Einerseits war dies die Russische Revolution im Februar 1917, andererseits die offizielle Kriegserklärung der USA an das deutsche Reich und seine Verbündeten im April des Jahres.
Mit dem auf die Revolutionswirren in Russland folgenden, am 3. März 1918 geschlossenen Friedensvertrag von Brest-Litowsk wurden an der deutschen Ostfront etwa 40 Divisionen frei, die nunmehr für Operationen im Westen zur Verfügung standen. Bevor sich die amerikanische Truppenpräsenz dort entscheidend auswirken würde, wollte die Oberste Heeresleitung (OHL) mit einer Großoffensive die Initiative wiedererlangen und die Alliierten, wenn schon nicht besiegen, so doch jedenfalls friedenswillig machen. Trotz anfänglicher Erfolge scheiterte diese mit der "Operation Michael" beginnende Abfolge von insgesamt fünf Großschlachten letztendlich an ungenügender Planung, grundlegenden taktischen Fehlern, Nachschubproblemen und der mit der Zeit immer evidenter werdenden Überlegenheit der Alliierten in allen Belangen. |
Unberührt davon vollzog sich über den Verlauf des Jahres 1918 im Lamorville-Abschnitt weiterhin der Einsatz abgekämpfter Truppen aus den schweren Kämpfen in der nördlichen Hälfte der Westfront. Ende Juli 1918 kam auf diese Weise zwischen St. Mihiel und dem Ort Seuzey die 31. Infanterie-Division und östlich Lamorville das zugehörige 10. Lothringische Infanterie-Regiment 174 zum Einsatz. Nördlich anschließend auf den Maas-Höhen ging Anfang August 1918 die 35. k.u.k. Division in Stellung. Im Bois de Lamorville bis zur Abschnittsgrenze nahe Deuxnouds-aux-Bois stand das 62. k.u.k. Infanterie-Regiment, dessen Soldaten im Wesentlichen aus Siebenbürgen im heutigen Rumänien stammten. Im Bereich der Combres-Höhe (Les Éparges) und der Woëvre-Ebene standen Truppen der 13. Landwehr-Division.
Bereits ab dem 4. September 1918 wurde die 31. Infanterie-Division wieder herausgelöst und durch die sächsische 192. Infanterie-Division ersetzt. Zu diesem Zeitpunkt war weder den Sachsen noch den übrigen deutschen Truppen im Frontbogen von St. Mihiel klar, welche gravierenden Entwicklungen begonnen hatten und nur eine Woche später mit der alliierten St. Mihiel-Offensive ihren Lauf nehmen sollten.
In der Zwischenzeit waren durch die Oberste Heeresleitung (OHL), die Armee-Abteilung C und auch einzelne Divisionen eine unübersehbare Menge an Plänen ausgearbeitet worden, mit denen jede denkbare Konstellation eines Angriffs auf den Frontbogen von St. Mihiel beschrieben wurde. Mittels sich ständig überholender Befehle wurde bis ins kleinste Detail geregelt, was im Falle welchen Angrifsszenarios geschehen solle, welche Einheiten sich über welche Straßen zurückzuziehen hätten, wie die Rückführung der Artillerie zu geschehen habe, wo bei Bezug der Michelstellung die einzelnen Befehlsstellen, Munitionslager, Artilleriepositionen, Telefonzentralen, Saniätseinrichtungen etc. liegen sollten, wo Hühner, Pferde, Schafe und Kühe abzuliefern seien, welche Ortschaften, Lager, Stollen und weiteren Einrichtungen zu zerstören waren. Hinzu kam, dass für jeden Ort Listen zu führen und zu aktualisieren waren, mit denen festgelegt wurde, welche Bewohner dem Feind überlassen, nach hinten abgeschoben oder als Geiseln genommen werden sollten.
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Viele dieser Unterlagen sind in entsprechenden staatlichen Archiven und auch im Stadtarchiv von St. Mihiel erhalten geblieben. Sie bieten ein verstörendes Bild auf den bürokratischen Aufwand, der bis in die letzte Phase des Krieges von deutscher Seite betrieben wurde. Genauere Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Bau und den militärischen Ereignissen rund um die Michelstellung finden sich im diesbezüglichen und noch in Bearbeitung befindlichen Fachbeitrag.
Trotz aller Planungen für einen geordneten und zuletzt auf acht Tage konzipierten Rückzug waren sich die deutschen Kommandeure durchaus bewusst, dass gegebenenfalls mit einem unvorhergesehenen Angriffsszenario zu rechnen war, insofern auch ein Beziehen der Michelstellung binnen maximal zweier Tage notwendig sein könnte. Dieser Fall trat letztendlich ein. Wie im September 1914 zugunsten der deutschen Angreifer, kam vier Jahre später den Alliierten das erneut unsichtige Wetter zu Gute. Eine Luftaufklärung war aufgrund stürmischen Regenwetters für mehrere Tage nicht möglich. Noch am 07. September 1918 war man sich bei der Armee-Abteilung C sicher, dass mit einem baldigen Angriff nicht zu rechnen sei. Dabei war dieser durch die amerikanische Armeeführung um den General John J. Pershing bereits befohlen und mittels der "Field Order No. 9" letztendlich für den 10. September 1918 angesetzt worden.
In diesem die Abläufe des Angriffs genau festlegenden Befehl der 1. US Armee wurden erstmalig belegbar die Begriffe "D Day" und "H Hour" für den Zeitpunkt des Operationsbeginns verwendet. Heute werden diese landläufig mit der am 6. Juni 1944 gestarteten "Operation Overlord", der alliierten Landung in der Normandie, in Verbindung gebracht. Ihr Ursprung liegt jedoch in den Befehlen für den Angriff auf den St. Mihiel-Frontbogen im September 1918.
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Die mit etwa 3.000 Geschützen aller Kaliber weit überlegene Artillerie der Alliierten war zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht vollständig kampfbereit, sodass der "D Day" kurzfristig auf den 12. September 1918 verschoben werden musste. Am 09. September 1918 klarte der Himmel auf und die deutsche Luftbeobachtung meldete, dass nicht nur, wie zwischenzeitlich erwartet, räumlich begrenzte Angriffe am Südflügel bevorstanden, sondern auch am Westflügel des Frontbogens feindliche Angriffsvorbereitungen auszumachen waren. Insofern wurde das unter der taktischen Bezeichnung "Abwehrschlacht Michel" erarbeitete Prozedere für den Komplettrückzug der deutschen Truppen auf und hinter die Michelstellung befohlen. Ab dem frühen Morgen des 11. September 1918, der mit dem Stichwort "Ausweichen" zum ersten "Micheltag" bestimmt wurde, begann der Abbau und die Verlegung der unbespannten Artillerie sowie des für den weiteren Infanteriekampf nicht unbedingt notwendigen Gefechtstrosses. Die vorderen Stellungen an der Südflanke des Bogens wurden nach und nach bis auf einzelne zumeist mit leichten MG ausgerüstete Posten geräumt und die Hauptverteidigung in die Artillerieschutzstellung zurückgenommen. An der Westflanke erfuhr die Besatzung der vorderen Stellungen zunächst nichts von den zwischenzeitlichen Entwicklungen.
Bereits in der Nacht zum 12. September 1918 gegen 02.00 Uhr deutscher Zeit setzte im gesamten Frontbogen stärkstes feindliches Artilleriefeuer ein. Dieses lag zu Beginn vorwiegend auf rückwärtigen Zielen, so auf Kommandostellen, Ortschaften und wichtigen Straßenkreuzungen. Schwerste alliierte Geschütze schossen bis in die Vororte der Stadt Metz hinein. Von amerikanischer Seite wurden allein am 12. September 1918 etwa 100.000 Giftgas-Granaten mit rund 200 Tonnen Phosgen-Kampfstoff verschossen, um den Verteidigern den Rückzug sowie das Heranführen von Reserven zu erschweren. Trotz intensivster Aufklärungsbemühungen war der deutschen Seite der exakte Angriffstermin verborgen geblieben. Die Umgruppierung der Artillerie sowie die Rückführung von Material und Munition war in vollem Gange. Schnell waren alle Wege Richtung Norden und Osten verstopft. Granattrichter, umgestürzte Bäume und ständige Luftangriffe behinderten die Truppenbewegungen. Notwendige Transportkapazitäten fehlten, sodass Geschütze und Fuhrwerke zu mehreren aneinandergehängt oder von Soldaten gezogen werden mussten. Durch den Artilleriebeschuss waren schnell sämtliche Nachrichtenverbindungen zerstört. Befehle höherer Kommandostellen drangen nicht mehr durch, weswegen die Fronteinheiten auf sich allein gestellt blieben.
Um 06.00 Uhr früh deutscher Zeit ("H Hour") begann am zentralen südlichen Flügel des Frontbogens der amerikanische Infanterieangriff. Da die auf dem Rückmarsch befindliche deutsche Artillerie keine nennenswerte Unterstützung leisten konnte und die Truppenstärke der Verteidiger anhand der jeweiligen Abschnittsbreite viel zu gering war, erreichten die Amerikaner bereits gegen Mittag das vorgegebene Angriffsziel, nämlich das Höhengelände nördlich der zentral im Frontbogen liegenden Stadt Thiaucourt. Die deutsche Front war auf Divisionsbreite durchstoßen und die weiter westlich stehenden Truppen hintergangen. Es war nur der strikten Befolgung ihres Angriffsplans zu verdanken, dass die Amerikaner diese krisenhafte Situation nicht für eine Überwindung der noch nicht verteidigungsfähigen Michelstellung auszunutzen wussten.
Befehlsgemäß um "H+3 Hour", also um 09.00 Uhr, traten auch an der Westflanke des Frontbogens die alliierten Truppen zum Angriff an. Es war dies im Wesentlichen die 15. französische Kolonial-Division sowie die 26. US (Yankee) Division. Angriffsziel für den ersten Tag war für die Franzosen die Einnahme der strategisch wichtigen Combres-Höhe (Les Eparges). Die Amerikaner hatten eine Linie entsprechend der heutigen D 154 zwischen den Ortschaften Dompierre-aux-Bois und Dommartin-la-Montage zu erreichen. Auf deutscher Seite stand dort weiterhin die zur "Gruppe Combres" zusammengefasste 13. Landwehr-Division mit der südlich anschließenden k.u.k. 35. Infanterie-Division. Die Abschnittsgrenze zur weiter südlich bis zur Stadt St. Mihiel eingesetzten 192. sächsischen Infanterie-Division als Teil der "Gruppe St. Mihiel" verlief im Bereich der Schroeter-Stellung zwischen der Ortschaft Deuxnouds-aux-Bois und der ehemaligen Abtei de l´Étanche.
Obwohl es Einheiten der 13. Landwehr-Division gelang, die französischerseits im ersten Anlauf genommene Combres-Höhe (Les Eparges) zurückzuerobern und ein weiteres Vordringen der französischen Kolonialtruppen zu verhindern, kam der amerikanische Angriff auch an der Westflanke des Frontbogens zügig voran. Bereits am Nachmittag des 12. September 1918 war die vorgesehene Linie auf den Maas-Höhen erreicht. Die Einheiten der k.u.k. 35. Infanterie-Division waren unter schweren Verlusten in die Schroeter-Zone ausgewichen und hatten dabei auch die Positionen auf dem Roquant-Bergrücken oberhalb des l´Étanche Schlosses besetzt. Zu einem Angriff auf diese Stellung kam es jedoch nicht mehr, da die Amerikaner nach Erreichen des vorgegebenen Tagesziels auch hier wie befohlen Halt machten.
Die alliierten Fortschritte bedeuteten eine schwere Bedrohung der "Gruppe St. Mihiel", die im Zentrum des Frontbogens erfolgreich Widerstand gegen dort bereits seit 07.00 Uhr morgens ("H+1 Hour") angreifende französische Verbände (2. Kavallerie-Division, 26. und 39. Infanterie-Division) leistete. Neben der sächsischen 192. Infanterie-Division gehörte zur "Gruppe St. Mihiel" auch der Hauptteil der 5. Landwehr-Division, die bereits seit dem Frühjahr 1916 Stellungen östlich St. Mihiel vom Bois d´Apremont über den Höhenrücken des le Mont, den Butte de Montsec, den Bois de Géréchamp bis zum Dorf Richecourt besetzt hielt. |
Bereits am Mittag des Angriffstages hatte der Kommandeur der Armee-Abteilung C, General Georg Fuchs, den Befehl zum sofortigen Zurückgehen der in der Spitze des Frontbogens von einer Abschnürung besonders bedrohten sächsischen 192. Infanterie-Division in die Michelstellung gegeben. Die k.u.k. 35. Infanterie-Division im Norden und Teile der 5. Landwehr-Division im Südosten sollten den Rückzug durch unbedingtes Halten ihrer Stellungen decken und sich diesem sodann anschließen. In dem chaotischen Gesamtgeschehen erreichte der Befehl die Sachsen nicht.
Während einer Lagebesprechung in St. Mihiel am 11. September 1918 hatten die Regiments- und Bataillonsführer jedoch bereits selbst Pläne für ein gegebenenfalls notwendiges Rückzugsszenario erarbeitet. Bis etwa 16.00 Uhr verteidigten die Sachsen ihre Stellungen gegen sämtliche französischen Angriffe, die vor allem im Bereich des westlich der Maas gelegenen Chauvoncourt-Brückenkopfes (Menonville-Stellung) sowie der Bienenwaldhöhe im Spada-Abschnitt vorgetragen wurden. Dort und auch weiter nördlich bis zu dem bereits 1915 schwer umkämpften Selouse-Abschnitt stand jetzt das 183. sächsische Infanterie-Regiment, das trotz deutlicher Unterlegenheit ebenfalls sämtliche französischen Angriffe abzuweisen vermochte. |
Als gegen Nachmittag des 12. September 1918 der Gefechtslärm nicht nur an den beiden Flanken, sondern auch im Rücken der Sachsen immer weiter zunahm, ordnete der Führer des 192. Infanterie-Regiments, Oberstleutnant von Loeb, für die gesamte Division das Lösen vom Feind und die Einnahme neuer Stellungen im Bereich der Schroeter-Zone an.
Bis auf einzelne Teile der Nachhuten verlief die Räumung der vorderen Stellungen für alle Truppenteile glatt. Nach vollständiger Aufgabe des westlichen Maas-Ufers rückte auch der Stab des 192. Infanterie-Regiments aus St. Mihiel ab. Die Stadt, in der immer noch etwa 3.000 französische Einwohner lebten, geriet nach vier Jahren deutscher Besetzung wieder zwischen die Fronten. Erst gegen 07.00 Uhr am Morgen des 13. September 1918 wurde St. Mihiel kampflos durch französische Einheiten besetzt. Nahe dem Ort Chaillon stieß die Regimentsführung des IR 192 auf eine Husarenpatrouille mit dem bereits vor Stunden gegebenen Befehl zum sofortigen Rückzug auf die Michelstellung. Dieser Befehl wurde umgehend an die anderen Regimenter weitergegeben. Gegen 19.00 Uhr begann für die sächsischen Truppen der beschwerliche Marsch Richtung Osten.
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Trotz des überaus erfolgreichen Verlaufs des ersten Angriffstages realisierte die amerikanische Armeeführung erst in den Abendstunden des 12. September 1918, dass durch energischeres Vorgehen der unerwartet schnelle Rückzug der deutschen Truppen aus dem Zentrum des Frontbogens zu verhindern gewesen wäre und gegebenenfalls noch zu verhindern war. Insofern sollte die 1. US Infanterie-Division, genannt "The Big Red One", von Süden her auf Vigneulles-les-Hattonchâtel vorstoßen. Das 102. US Regiment des V. US Corps sollte von Norden her ohne Flankensicherung über die Grande Tranchée de Calonne ebenfalls Vigneulles erreichen und die Zange schließen. Hieraus entwickelte sich das in amerikanischen Abhandlungen so bezeichnete"Race to Vigneulles". Etwa gegen 02.00 Uhr früh am 13. September 1918 erreichte als erstes die Spitze des 102. US Infanterie-Regiments das komplett in Flammen stehende Dorf Hattonchâtel und gegen 03.15 Uhr besetzten die ersten amerikanischen Einheiten den am Fuße der Maas-Höhen gelegenen Ort Vigneulles. Die von Süden vorstoßende 1. US Division erreichte ihr Ziel erst am Morgen des 13. September 1918 gegen 10.00 Uhr.
Auch wenn einzelne Truppenteile in Gefangenschaft gerieten, sollte es der Masse der deutschen und k.u.k. Einheiten gelingen, im letzten Moment durch die sich schließende Lücke in der amerikanischen Front hindurch zu schlüpfen. Die Truppenbewegungen vollzogen sich hauptsächlich über zwei Routen. Nördlich und damit auch aus dem Lamorville-Abschnitt, marschierten die Einheiten über die Ortschaften Creuë, Vigneulles und sodann auf der heutigen D 901 in Richtung Dampvitoux. Südlich ging es über Chaillon, Heudicourt und sodann auf der "Bayernstraße", einem nur mäßig befestigten Waldweg, durch den Bois de Vigneulles Richtung Nordosten in den Bereich des Ortes Lachaussée. Die ersten Einheiten passierten gegen 21.00 Uhr die am Fuß der Maas-Höhen gelegenen Ortschaften. Bis zum Morgen des 13. September 1918, als die Spitze der 1. US Division den Ort Vigneulles erreichte, hatten nach einem Gewaltmarsch von etwa 40 Kilometern alle Einheiten ihre Positionen in der Michelstellung eingenommen.
Beschreibungen dieses von der Logistik und Leistung der einzelnen Offiziere und Mannschaften beachtlichen Unternehmens, an dem auf deutscher und k.u.k. Seite mehr als 50.000 Armeeangehörige beteiligt waren, lassen sich den jeweiligen Regimentsgeschichten und Truppenakten entnehmen. Eine plastische Schilderung der Szenerie findet sich in der von Major d.R. a.D. Dr. Armin Hase verfassten Geschichte des sächsischen Infanterie-Regiments Nr. 183 aus dem Jahr 1922:
"Der Rückzug bot ein eigenartiges Bild. Die ganze Straße war bedeckt von einem endlos ziehenden Heere aller möglichen Truppenteile durcheinander. Nach dem regnerischen Tage brach ein farbenschöner Abend an. Bald dunkelte es - aber nicht nur der blasse Mond beleuchtete den Weg: sondern von links und rechts aus dem Walde, in den Tälern, auf den Höhen loderten Feuerflammen, wo die von den Truppen verlassenen Holzlager in Brand gesteckt waren. Es war wie in einer Walpurgisnacht, wo auf allen Bergen und Höhen die Holzstöße brennen. In Chaillon wurden die letzten Häuser, die nicht schon vorher ein Opfer des Krieges geworden waren, ein Raub der Flammen. In der ehemaligen Ortskommandantur prasselte das Feuer in allen Zimmern, das eiserne Geländer der Haustreppe war schon ganz glühend. Auch Creué, in dem bis heute sogar noch französische Einwohner gewesen waren, stand fast ganz in Flammen. Schon wehten der Truppe die Riesenfackeln und Feuerfahnen von Vigneulles und Hattonchâtel entgegen. Immer größer wurden die Brandherde, immer zahlreicher tauchten sie auf und röteten den Sternenhimmel. Das wunderbarste Bild bot die Stadt Hattonville, die vollkommen in Brand gesteckt war. An deren Straßenreihen setzten die Gerüstbalken tausend kleine Flämmchen auf, als ob alle Häuser in endloser Reihe, die Straßen auf und ab, illuminiert wären. Während über diesem Feuermeere dunkelrote Flammen in den schwarzen, schwelenden Rauch schlugen, ragte über das ganze Bild in den Nachthimmel der Berg, auf dessen Spitze das einst so liebliche Hattonchâtel lag. Die Häuser des Bergnestes lohten ebenfalls in fahnenartigen, weißen Flammen gegen den Himmel und gaben den Abschluss zu einem Bilde, das grausig packend war." |
aus: Major d.R. a.D. Dr. Armin Hase, Das Königlich Sächsische Infanterie-Regiment Nr. 183, Dresden 1922, Seite 104.
Erst am Morgen des 13. September 1918 war für die auf den Maas-Höhen angreifenden französischen Truppen das Ausmaß der deutschen Rückzugsoperation erkennbar geworden. Obwohl überall der Feindkontakt verloren gegangen war, tastete sich das 12e Régiment de Curassiers à pied als Teil der 2. französischen Kavallerie-Division erst im Lauf dieses zweiten Angriffstages vorsichtig über die Orte Seuzey, Dompierre, Dexnouds-aux-Bois bis an den Rand der Maas-Höhen oberhalb Vigneulles vor und nahm dabei kampflos auch die ehemalige Abtei de l´Étanche in Besitz. In dem Étanche-Schloss wurde am Nachmittag des 13. September 1918 eine Kommandostelle eingerichtet, die bis zum 14. September 1914 bestand.
Lediglich kam es noch zu kleineren Gefechten mit deutschen und k.u.k. Nachhuten. Auch wenn dem französischen Kürassier-Regiment, das für seine Leistungen während des Weltkriegs mit dem Orden "Croix de guerre 1914–1918" ausgezeichnet wurde, die Gefangennahme von etwa 1.200 deutschen und k.u.k. Soldaten gelang, war es neben dem zögerlichen amerikanischen Vorgehen gerade diese Einheit, die den Abzug der deutschen Truppen durch rechtzeitige Wegnahme der Rückzugsrouten im Bereich der Lücke von Spada und der Ortschaften Vigneulles und Heudicourt hätte verhindern können. |
Nach dem Rückzug der deutschen Truppen aus dem Frontbogen von St. Mihiel, den sie vier Jahre besetzt gehalten hatten, verblieben von einem Tag auf den anderen überwiegend entvölkerte und zerstörte Ortschaften sowie eine von dem vergangenen Kriegsgeschehen schwer gezeichnete Landschaft. Es sollte bis weit in die 1920er Jahre dauern, bis eine relevante Zahl an Einwohnern zurückgekehrt war und die Schäden nach und nach beseitigt wurden.
Côtes de Lorraine - Zwischenkriegszeit und Zweiter Weltkrieg
Zur Zwischenkriegszeit im Bereich der Maas-Höhen ist nur wenig Berichtenswertes bekannt. Letzteres gilt auch für den Verlauf des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Ende der Kämpfe im Bereich des Festungsgürtels um Verdun, die mit der deutschen Einnahme aller umliegenden Forts sowie der Zitadelle der Stadt am 16. Juni 1940 nach nur einem Tag beendet waren, stießen unter dem Kommando des Generals Karl Weisenberger Verbände der zur 16. Armee gehörenden 71. Infanterie-Division, "Kleeblatt-Division" und seit der Einnahme Verduns auch "Die Glückhafte" genannt, im Maas-Tal über die heutige D 964 Richtung Süden vor. General Weisenberger hatte als Adjutant, Kompanieführer und zuletzt MG-Offizier im Rang eines Oberleutnants des 20. K.B. Infanterie-Regiments "Prinz Franz" am Ersten Weltkrieg teilgenommen und war dabei in den Kämpfen vor Verdun und auch auf den Maas-Höhen eingesetzt.
Ohne ernstliche Gegenwehr erreichte das zur 71. Infanterie-Division gehördende 194. Infanterie-Regiment am Abend des 16. Juni 1940 gegen 22.00 Uhr die Stadt St. Mihiel. Ein Stoßtrupp besetzte gegen Mitternacht das Fort du Camp des Romains. Zu kurzen, aber heftigen Kämpfen war es lediglich in der Ortschaft Lacroix-sur-Meuse am Eingang der Lücke von Spada gekommen, die jetzt den französischen Truppen als Rückzugsroute Richtung Osten diente, vergleichbar zur Situation der 192. sächsischen Infanterie-Division im September 1918. |
Östlich der Côtes de Lorraine, auf der schmalen D 154 ausgehend Haudiomont, setzte das ebenfalls zur 71. Infanterie-Division gehörende Infanterie-Regiment 211 zur Verfolgung der nach Süden ausweichenden französischen Truppen an. Der Vormarsch führte ohne ernstlichen Widerstand über les Éparges auf die Grande Tranchée de Calonne sowie auf der entlang des Ostabfalls der Maas-Höhen verlaufenden DS 31 bis nördlich der Ortschaften Creuë, Chaillon und Vigneulles-lès-Hattonchâtel. Diese Linie wurde noch am 16. Juni 1940 gegen 23.00 Uhr erreicht. In der Nacht auf den 17. Juni 1940 zog das als Divisionsreserve fungierende Infanterie-Regiment 191 bis in den Raum Lamorville/Lavignéville vor und besetzte dabei gegen 23.00 Uhr auch die verlassene ehemalige Abtei de l´Étanche.
Zu schwereren Kämpfen kam es noch am Folgetag, dem 17. Juni 1940, im Bereich des Bois de Gobessart östlich St. Mihiel, wo französische Nachhuten, vor allem das 155e Régiment d´Infanterie de Fortresse (R.I.F.), genannt "Régiment de la Meuse", und das 4e Bataillon de Mitailleurs unter merklichen Verlusten versuchten, den Rückzug der eigenen Truppen zu decken und den weiteren deutschen Vormarsch über die heutige D 907 aufzuhalten. Dieser richtete sich mit dem Ziel der Einschließung der französischen Truppen südlich der Mosel zunächst auf die Einnahme des Forts de Gironville, das am 18. Juni 1940 fiel, sodann auf die Stadt Nancy, die am 20. Juni 1940 eingeschlossen und kampflos an die Kommandeure der beteiligten Wehrmachtsverbände übergeben wurde. Im "Lothringer Kessel" zwischen Nancy und Belfort gingen 3 französische Armeen mit etwa 500.000 Mann in deutsche Kriegsgefangenschaft. Bereits am 22. Juni 1940 wurde im Eisenbahnwagon von Compiegne, in dem 1918 die deutsche Kapitulation vereinbart worden war, der deutsch-französische Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet.
Im Bois de Gobessart, unmittelbar nördlich der D 907 zwischen St. Mihiel und Apremont-la-Fôret, wo wenig weiter südlich die im Ersten Weltkrieg hart umkämpften Schlachtfelder des Bois Brûlé und des Bois d´Ailly liegen, befindet sich ein größeres, gut sichtbar und direkt an der Straße plaziertes, gleichwohl kaum beachtetes Denkmal für die dort im Juni 1940 kämpfenden französischen Einheiten und ihre Gefallenen.
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Auch für die Gegend zwischen den Städten St. Mihiel und Verdun begann nunmehr eine weitere vierjährige Phase deutscher Besetzung, die für die Zivilbevölkerung weitaus repressiver und gewalttätiger ausfiel als während des Ersten Weltkriegs. Deutsche Sondereinheiten begannen mit dem Aufspüren, der Deportation und Ermordung von unliebsamen Personen, später auch der jüdischen Bevölkerung. Gestapo und Feldgendarmerie verfolgten unerbittlich vermeintliche Systemfeinde und Aufrührer, wobei Folterungen und Erschießungen an der Tagesordnung waren. Wie in vielen anderen besetzten Städten wurde in St. Mihiel ein Lager für Kriegsgefangene und auch zivile Inhaftierte errichtet, das sogenannte "Frontstalag 241" (Front-Stammlager 241). Aus diesen Lagern wurden die Insassen in unterschiedliche "Stalags" auf deutschem Reichsgebiet überführt, um Zwangsarbeit vor allem in Munitionsfabriken und der Landwirtschaft zu leisten. Vielfach endete deren Leben jedoch auch unmittelbar nach der Ergreifung vor Ort oder in deutschen Konzentrationslagern. Das "Frontstalag 241" in St. Mihiel existierte, wie auch sein Pendant in der Stadt Verdun, das "Frontstalag 240", bis in das Frühjahr 1941.
Die rücksichtslose und willkürliche Vorgehensweise der deutschen Besatzer führte schnell dazu, dass im ganzen Land Widerstandsgruppen entstanden, die seitdem unter dem Oberbergriff "Résistance" beschrieben werden. Auch im Bereich der bewaldeten, dünn besiedelten und deshalb schwer zu kontrollierenden Maas-Höhen bildeten sich schon ab Ende 1940 mehrere solcher Gruppierungen, die jedoch im Verlauf des Krieges kaum in Erscheinung traten.
Regional bekannt wurde eine Gruppe unter dem Kommando des damals erst 18 Jahre alten Charles Serano. Zunächst Mitglied der von der kommunistischen Partei Frankreichs gegründeten "Francs-Tireurs et Partisans" (FTP) und an diversen Sabotageaktionen vorwiegend im Großraum Paris beteiligt, ließ er sich im Februar 1944 von einer anderen Résistance-Gruppierung, der "Armée Secrète" (AS), rekrutieren. Sein Auftrag war es, in dem am Fuß der Maas-Höhen gelegenen Ort Viéville-sous-les-Côtes eine neue Widerstandsgruppe aufzubauen, die zur Unterstützung der erwarteten alliierten Invasion Angriffe auf Bahnlinien und Brücken ausführen sollte. Zu diesem Zweck sollten fünf Gaullisten aus England unter Mitführung von Sprengstoff und Funktechnik im Bereich der ehemaligen Abtei de l´Étanche mit Fallschirmen abspringen.
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Charles Serano begann, potenzielle Mitstreiter anzuwerben. In den Wäldern der Maas-Höhen hielten sich eine Vielzahl entlaufener russischer Kriegsgefangener und auch Besatzungen abgeschossener alliierter Bomber versteckt. Bevor das Luftlande-Unternehmen stattfinden konnte, wurde Charles Serano von Feldgendarmen aus St. Mihiel verhaftet und nach Aburteilung durch das deutsche Militärgericht in Bar le Duc am 30. Mai 1944 in einem Waldstück nordwestlich Behonne, das bereits wiederholt als Hinrichtungsstätte gedient hatte, standrechtlich erschossen.
Nachdem am 6. Juni 1944, erneut an einem "D Day", die alliierte Invasion in der Normandie begonnen hatte, erreichte der Zweite Weltkrieg gegen Ende August 1944 erneut die Gegend zwischen Verdun und St. Mihiel. Derweil hatten die Alliierten den zwischen der Halbinsel Cotentin und der Stadt Caen entstandenen Brückenkopf unter teils schweren Kämpfen behaupten und immer weiter ausbauen können. Anfang August 1944 gelang es Einheiten der 1. US Armee im Rahmen der "Operation Cobra", mit einem Angriff an der westlichen Flanke des Brückenkopfes die deutsche Umklammerung zu durchbrechen. In die entstandene Lücke stieß die unter dem Kommando des Generals George S. Patton Jr. stehende 3. US Armee. Diese hatte an den eigentlichen Invasionskämpfen nicht teilgenommen, sondern erst ab Juli 1944 an den Invasionsabschnitten "Utah" und "Omaha" französischen Boden betreten.
Energisch dehnten sich die amerikanischen Verbände in alle vier Himmelsrichtungen des französischen Hinterlandes aus. Im Zusammenwirken mit englischen und kanadischen Einheiten gelang es Teilen der 3. US Army bis zum 19. August 1944, die deutsche 7. Armee und die 5. Panzerarmee im "Kessel von Falaise" einzuschließen und nahezu vollständig zu vernichten. Hiernach brach die deutsche Abwehr in der Normandie zusammen und es begann ein ungeordneter Rückzug Richtung Osten.
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Bei dem weiteren Vorrücken der Amerikaner kam es im Bereich der Stadt Chartres noch zu schwereren Kämpfen. Der Großraum Chartres war ein zentral gelegener, für die Deutschen logistisch wichtiger Verkehrs- und Eisenbahnknotenpunkt. Die Stadt konnte von der 7. US Armoured-Division erst am 18. August 1944 vollständig eingenommen und an die nachrückende 5. US Infantry-Division übergeben werden.
Mitte August 1944 wurden die Verbände der 3. US Armee neu geordnet. Mit dem XX. Corps nördlich und dem XII. Corps südlich wurden zwei Angriffsformationen Richtung Osten auf die deutsche Grenze und die Städte Metz und Nancy angesetzt. Der weitere Vormarsch vollzog sich südlich an Paris vorbei über die Seine, sodann für das XX. Corps im Bereich Château-Thierry und für das XII. Corps bei Vitry-le-Francois über die Marne. Nach Überschreiten der Aisne bei Berry-au-Bac wurde durch das XX. Vorps am 30. August 1944 die Stadt Reims und durch das XII. Corps die Kleinstadt Bar-le-Duc eingenommen. Der 3. US Army gegenüber standen zu dieser Zeit lediglich einige abgekämpfte Wehrmachts-Bataillone, einzelne Artillerie-Einheiten und ca. 10 deutsche Panzer. Die Aufklärung ergab, dass weder im Bereich der Maas, noch der Mosel und auch nicht in den als "Siegfried-Line" bezeichneten Anlagen des Westwalls irgendein relevanter deutscher Widerstand zu erwarten war. |
Bereits ab Mitte August 1944 zeichnete sich jedoch ab, dass sich das unerwartet rasche Vordringen der Amerikaner zu einem massiven Versorgungsproblem auswachsen sollte. Die alliierten Spitzen befanden sich zu dieser Zeit nach den vor Beginn der "Operation Overlord" erstellten Plänen etwa dort, wo sie erst im April 1945 hätten sein sollen. Vor allem das für die tausenden Fahrzeuge benötigte Benzin wurde knapp. Pro Vormarschtag hatte allein die 3. US Army etwa 450.000 Liter Treibstoff verbraucht. Dieser musste im Spätsommer 1944, neben geringfügigen Lufttransporten, ganz überwiegend an den Stränden der Normandie angelandet und sodann auf der Straße zu den vorderen Einheiten transportiert werden. Die Eisenbahnlinien im französiscen Hinterland waren überwiegend aus der Luft zerstört worden, um die Heranbringung deutscher Reserven zu unterbinden. Von den Landungsstränden bis in den Großraum Paris waren mehrere feste Verbindungsrouten geschaffen worden, auf denen Transportfahrzeuge aller Art rund um die Uhr hin und her fuhren. Die bekannteste Verbindung war der "Red Ball Express", auf dem gleichzeitig etwa 6.000 LKW verkehrten.
Von der urspünglichen Planung her sollte der Vormarsch der 3. US Army durch die Mitte Frankreichs im Verhältnis zu den nördlich vordringenden britischen und kanadischen Truppen unter dem Kommando ihres Befehlshabers Bernhard Law Montgommery nur eine Nebenrolle spielen. Das erfolgreiche Vordringen Pattons bewirkte zwar Überlegungen bezüglich einer operativen Änderung. Letztendlich blieb es jedoch dabei, dass der nördliche Angriffskeil seinen Vorrang behielt, dies auch bei der Versorgung mit Treibstoff, Munition und Verpflegung. Hauptziel dieser Verbände war die Einnahme des Ruhrgebietes und der Stadt Antwerpen mit dem für die Truppenversorgung wichtigen Tiefwasserhafen. Demgegenüber lagen vor der 3. US Army wirtschaftlich eher unbedeutende Städte wie Karlsruhe, Mannheim und Frankfurt a.M. sowie das im Vergleich zum Ruhrgebiet deutlich produktionsschwächere Saarland. Es sollte sich um eine den Krieg um mehrere Monate verlängernde und auf beiden Seiten weitere tausende Tote kostende Fehlentscheidung handeln.
Auf Grund ausbleibender Treibstoffversorgung musste Pattons 3. US Armee Ende August 1944 ihren Vormarsch vollständig unterbrechen. Das nördliche XX. Corps, vorneweg die 7th Armoured Division, hatte den Ostrand der Argonnen zwischen Varennes-en-Argonne und Dombasle-en-Argonne erreicht. Das südliche XII. Corps mit der 4th Armoured Division an der Spitze verharrte untätig im Umfeld des Städtchens Bar-le-Duc, wo die für das gesamte Gebiet zuständigen deutschen Feldkommandanturen ansässig gewesen waren. Nachdem es gelungen war, mittels unzerstörter deutscher Benzinvorräte und der Requirierung von Treibstofflieferungen für andere US-Einheiten jedenfalls einen Teil der Einheiten wieder mobil zu machen, befahl Patton das weitere Vorrücken und die Bildung zweier Brückenköpfe auf dem Ostufer der Maas, einen nördlichen bei der Stadt Verdun und einen südlichen im Bereich von Commercy und St. Mihiel.
Bereits am 31. August 1944 nahmen Einheiten der 7th Armourered Division nahezu kampflos Verdun und, nachdem Résistance-Mitglieder Sprengladungen hatten unschädlich machen können, die damalige "Pont Bonrepaire", die heutige, nach einem der Widerstandskämpfer benannte "Pont de Fernand Legay". Auch die 4th Armoured Division setzte im Verbund mit weiteren Infanterie-Einheiten des XII. Corps auf Booten und Flößen sowohl bei Commercy als auch in St. Mihiel über die Maas. Einzelne Aufklärungstrupps stießen bis an die Mosel vor und fanden diese unverteidigt. Mangels Treibstoffs war Ende August 1944 ein weiteres Vordringen für die 3. US Armee aber erneut unmöglich geworden. |
Auf deutscher Seite war es nach dem missglückten Hitler-Attentat vom 20. Juni 1944 aufgrund von Denunzierungen, Verdächtigungen und Suspendierungen zu erheblichen Unregelmäßigkeiten in der Befehlsgebung gekommen. Am 16. August 1944 wurde der "Oberbefehlshaber West", Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt, entlassen. Neuer "OB West" und späterer Chef der "Heeresgruppe B" wurde der von der Ostfront kommende Generalfeldmarschall Walter Model, unter dessen strenger Führung der chaotisch verlaufende deutsche Rückzug in Frankreich einigermaßen geordnet werden konnte. Am 20. August 1944 wurde durch entsprechenden Führererlass der "Ausbau der deutschen Weststellung" befohlen. Zu dieser gehörte auch die "Mosellinie", die sich im Wesentlichen auf die ehemals preußischen Festungsabschnitte Thionville und Metz stützte und südlich der Stadt Nancy weiter in Richtung Elsass verlief.
Der unfreiwillige Stillstand der 3. US Armee ab dem 31. August 1944 ermöglichte es der deutschen Seite völlig unverhofft, einerseits die auf dem Rückzug befindlichen Truppen nebst großer Mengen an Kriegsmaterial aus Frankreich nach Osten auf deutsches Reichsgebiet in Sicherheit zu bringen und andererseits die Verteidigung an der Westgrenze zu organisieren.
Als sich Pattons Einheiten ab dem 6. September 1944 endlich wieder in Bewegung setzten und die deutsche Hauptkampflinie erreichten, stießen sie bereits auf dem westlichen Moselufer auf massiven Widerstand, der jedes weitere Vordringen zunächst unterband. Die folgenden und später als "Lorraine Campaign" bezeichneten Kämpfe waren vor allem für die Amerikaner mit etwa 50.000 Toten, Verwundeten und Vermissten sehr verlustreich. Trotz intensivsten Material- und Truppeneinsatzes, des Abwurfs mehrerer Bombenteppiche auf die Metzer Forts, die Ortschaften im Moseltal und vermutete Truppenansammlungen auf den Moselhöhen, des konzentrierten Einsatzes von Napalm und unzähliger Artilleriegeschütze aller Kaliber, dauerte es bis Mitte Dezember 1944, also mehr als drei Monate, bis die kläglichen Reste der deutschen Verteidiger zur Kapitulation gebracht waren. |
Spuren dieser schweren Kämpfe finden sich noch heute in den Wäldern, dem Umfeld der betroffenen Festungswerke, vor allem aber an den Häuserfassaden der betroffenen Ortschaften, so in Novéant, Dornot und Corny-sur-Moselle. Als Folge des erzwungenen Stillstandes der 3. US Armee an der Maas sowie der dadurch erst möglich gewordenen Konsolidierung der deutschen Westverteidigung kam es bis zum Frühjahr 1945 zu weiteren schweren und verlustreichen Kämpfen, beispielsweise im Hürtgenwald, am Westwall und in Folge der am 16. Dezember 1944 von den Deutschen entfesselten Ardennenoffensive (Battle of the Bulge).
Côtes de Lorraine - Abbaye de l´Étanche heute
Kehren wir zum Abschluss dieses thematisch und geografisch recht weitreichenden Beitrags zurück in das beschauliche Aviaux-Bach-Tal und zur aktuellen Situation der ehemaligen Abtei de l´Étanche.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die landwirtschaftliche Nutzung der Anlage fortgesetzt. Auch wenn die jeweiligen Pächter überwiegend nicht in den Gebäuden der ehemaligen Abtei wohnten, bemühten sie sich doch um deren Erhalt und sei es nur, um diese als Lagerstätte zu nutzen. Anfang der 1980er Jahre wurde der auslaufende Pachtvertrag zwischen dem damaligen Nutzer und dem Eigentümer, dem Belgier Endmont d´Hondt, nicht verlängert. Weder der zu diesem Zeitpunkt bereits betagte und im Jahr 1986 gestorbene Eigentümer noch seine Erben kümmerten sich in den folgenden Jahren um die ehemalige Abtei de l´Étanche.
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Vielfache Bemühungen und Kontaktaufnahmeversuche auch von offizieller Seite mit dem Ziel einer langfristigen Pacht oder eines Erwerbs des Geländes blieben erfolglos, gleichfalls der Eintrag der ehemaligen Abtei in die liste officielle des Monuments Historiques français, der bereits 1984 erfolgt war. Die Gebäude begannen über die Jahre zu verfallen, ebenso verwilderten die umliegenden Ländereien. Die umfangreichen Metallarbeiten wie Fensterläden, Geländer, Dachrinnen, Zinkbleche etc. wurden nach und nach entwendet. Lediglich die zum Anwesen gehördenden Waldflächen wurden durch einen der Erben jagdlich genutzt. Im Jahr 2014 stürzte das Dach des Hauptgebäudes ein. Das bereits erheblich undicht gewordene Dach der Kirche drohte ebenfalls einzustürzen und das innere Dachgewölbe aus dem 18ten Jahrhundert zu zerstören. Es musste kurzfristig etwas geschehen, wenn die Anlage im Wesentlichen erhalten werden sollte.
Bewegung kam in die Sache, nachdem mittels einer Petition, die in belgischen Medien recht umfänglich thematisiert wurde, auf die von Belgiern zu verantwortende Vernachlässigung des historisch wertvollen französischen Denkmals aufmerksam gemacht wurde. Im Jahr 2015 konnte endlich ein Erwerb des gesamten Anwesens durch das Etablissement Public Foncier de Lorraine (EPFL) realisiert werden. Mit dem Schutz der Ländereien, die seltene Pflanzen- und Tierarten beheimaten, wurde das Conservatoire d’espaces naturels de Lorraine (CEN) beauftragt. Der Erhalt und die Restaurierung des Gebäudebestandes obliegt seit seiner Gründung im Jahr 2016 dem in Hattonchâtel ansässigen Verein Les Amis de l’Abbaye Notre Dame de l’Etanche unter der Leitung seiner Präsidentin Christine Hellin.
Seit dem Frühjahr 2017 bemühen sich Vereinsmitglieder, weitere private Helfer und Geldgeber vorrangig um eine Stabilisierung der Kirche, die provisorische Sicherung des Dachs und des Gewölbes. Parallel wurden umfangreiche Aufräumarbeiten gestartet und mit der Neuerstellung von beschädigten und verloren gegangenen Steinelementen wie beispielsweise Dachgesimsen begonnen. Auf der Vereinsversammlung am 19. März 2019 konnte die Präsidentin des Vereins, Christine Hellin, bekannt geben, dass über das französische Kulturministerium (DRAC), die Région Grand-Est, das Conseil Départemental de la Meuse, das GIP de Bure und weitere Spender zunächst etwa 350.000,00 Euro an Finanzmitteln zur Verfügung stehen. Auch wenn diese Summe beträchtlich klingt, wird sie wohl nicht einmal für die Restaurierung der kleinen Kirche ausreichen, sodass die Verantwortlichen jeden Interessierten um weitere Spenden bitten. Einzelheiten und Möglichkeiten hinsichtlich dieses in jeder Hinsicht förderungswürdigen Projekts sind der Homepage des Vereins Les Amis de l’Abbaye Notre Dame de l’Etanche zu entnehmen.
Neben dem eigenen historischen und architektonischen Wert bietet sich das Gelände um die ehemalige Abtei de l´Étanche aufgrund der zentralen Lage auf den Maas-Höhen sowohl für naturwissenschaftliche als auch militärhistorische Exkursionen als geeigneter Start- und/oder Zielpunkt an. Von hier aus sind sowohl die in diesem Beitrag thematisierten Örtlichkeiten als auch viele weitere interessante Anlaufpunkte mit ihren kleinen und großen Geschichten zu erreichen.
aktuelle Entwicklung:
November 2019:
Das provisorische Dach der Kirche ist fertiggestellt, die Fassade wurde teilweise instandgesetzt und gesäubert.
Das provisorische Dach der Kirche ist fertiggestellt, die Fassade wurde teilweise instandgesetzt und gesäubert.