Beney-en-Woëvre - damals und heute
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Exkurs: ehemaliger deutscher Soldatenfriedhof Beney-en-Woëvre
"Süß und ehrenvoll
ist der Tod für´s Vaterland."
gehörte im deutschen Kaiserreich bei der auch poetisch stattfindenden Militarisierung zu den am häufigsten verwendeten Aphorismen. Der Spruch zierte Postkarten, Plakate, Flaggen und Denkmäler. Ende 1914 fand er sich auch über dem Eingangsportal des frisch angelegten deutschen Soldatenfriedhofs in dem kleinen französischen Ort Beney-en-Woëvre zwischen Metz und Verdun. Vielfach abgewandelt, geht der Satz auf einen Vers der Oden des römischen Dichters Quintus Horatius Flaccus (Horaz) zurück, der vollständig und frei übersetzt wie folgt lautete:
"dulce et decorum est pro patria mori:
mors et fugacem persequitur virum nec parcit imbellis iuventae poplitibus timidoque tergo." |
"Es ist süß und ruhmvoll, fürs Vaterland zu sterben:
Der Tod folgt auch dem fliehenden Mann und verschont nicht die feigen Kniekehlen und Rücken der kriegsunwilligen Jugend." |
"Wanderer, steh still und sprich ein Gebet für mich.
Morgen kommt ein anderer und betet für Dich."
stand jedenfalls ab dem Jahr 1916 am Eingang zum Friedhof. Wohl im Hinblick auf den längerfristig und intensiver benötigten Beerdigungsplatz hatte man das Eingangsportal mit dickeren Baumstämmen neu gestaltet. Für diejenigen Soldaten, die sich inzwischen eine neue Widmung ausgedacht hatten und die die Reste ihrer süß und ehrenvoll gefallenen Kameraden bereits zu Dutzenden hinter dem ursprünglichen Portal zur letzten Ruhe hatten betten müssen, wird das eigene Kriegserleben den Ausschlag für den Sinneswandel bezüglich einer neuen Inschrift gegeben haben.
In einem Schulaufsatz aus dem Jahr 1916 über das Horaz´sche Einganszitat, dessen Autor ein damals 17-jähriger und schon in jungen Jahren umtriebiger Augsburger Gymnasiast mit Namen Eugen Berthold Friedrich Brecht gewesen sein soll, heißt es:
"(...) Der Ausspruch, daß es süß und ehrenvoll sei, für das Vaterland zu sterben, kann nur als Zweck-Propaganda gewertet werden. Der Abschied vom Leben fällt immer schwer, im Bett wie auf dem Schlachtfeld, am meisten gewiß jungen Menschen in der Blüte ihrer Jahre. Nur Hohlköpfe können die Eitelkeit so weit treiben, von einem leichten Sprung durch das dunkle Tor zu reden, und auch dies nur, solange sie sich weitab von der letzten Stunde glauben. Tritt der Knochenmann aber an sie selbst heran, dann nehmen sie den Schild auf den Rücken und entwetzen, wie des Imperators feister Hofnarr bei Philippi, der diesen Spruch ersann. (...)" |
Dass Berthold Brecht, dem auf Grund eines Herzfehlers und der geschickten Intervention seines Vaters der unmittelbare Frontdienst im Ersten Weltkrieg erspart blieb, im dritten Kriegsjahr für derartige Erkenntnisse keine Bestnoten oder Belobigungen erhielt, versteht sich von selbst.
Bereits im Dezember 1890 hatte der Deutsche Kaiser Wilhelm II. mit Blick auf seine eigene Kasseler Gymnasialzeit und das Studium an der Bonner Friedrich-Wilhelms-Universität in der Eröffnungsrede zur "Schul-Konferenz" (auch "Dezember-Konferenz"), dem in Berlin stattfindenden Fachkongress zur Reformierung der gymnasialen Unterrichtsmethodik, vorgetragen:
„Wer selber auf dem Gymnasium gewesen ist und hinter die Coulissen gesehen hat, der weiß, wo es da fehlt. Und da fehlt es vor allem an der nationalen Basis. Wir müssen als Grundlage für das Gymnasium das Deutsche nehmen; wir sollen nationale junge Deutsche erziehen und nicht junge Griechen und Römer! (...) Wir müssen das Deutsche zur Basis machen. Der deutsche Aufsatz muß der Mittelpunkt sein, um den sich alles dreht. (…) Deswegen sage ich, weg mit dem latheinischen Aufsatz, er stört uns, und wir verlieren unsere Zeit für das Deutsche darüber.“
Solche Aussagen, entsprechend agitative Parolen und die eigenen grausamen Erfahrungen während des Ersten Weltkrieges haben viele Intellektuelle und Nachkriegsautoren wie Erich Maria Remarque zur Emigration und Erschaffung von Figuren wie der des Oberprimaners Paul Bäumer und des Lehrers Kantorek in dem mehrfach verfilmten Bestseller "Im Westen nichts Neues" inspiriert. Die dem Lehrer Kantorek in den Mund gelegten Worte werden in der Euphorie des Sommers 1914 sicherlich häufig so oder in ähnlicher Weise und mit voller Inbrunst in Schulklassen und Universitätshörsälen gesprochen worden sein, hingegen im Jahr 1916 nicht mehr:
"(...) Glaubt mir, ich weiß, daß billig Lob für Heldentaten euch nichts bedeutet. Das brauchte ich euch nicht erst zu lehren. Vielmehr haben wir danach gestrebt, würdig zu sein für das, was man nun von uns verlangt. Und wenn es sein muss, in vorderster Linie gegen den Feind zu stürmen, für Kaiser, Gott und Vaterland, dafür bereit sein, das ist die wahre Tugend. Schon bald wird der Krieg vorbei sein, sicherlich ohne große Verluste. Aber wenn Opfer gebracht werden müssen, dann lasst uns an den lateinischen Satz denken, den so mancher römische Krieger auf den Lippen trug, als er auf fremdem Boden im Kampfe stand: dulce et decorum est pro patria mori - Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben. (...)" |