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Das Fort de Douaumont oder bei den Deutschen schlicht Fort Douaumont genannt ist das größte Werk im Festungsgürtel um Verdun und die bekannteste Position im gesamten Bereich des ehemaligen Schlachtfeldes. Die Anlage wurde nach dem Deutsch-Französischen Krieg im Rahmen des Konzepts des Generals Séré de Rivières zwischen 1885 bis 1913 in zwei Ausbaustufen errichtet. Wie zunächst üblich, wurde das Fort in Kalksandstein gebaut. Nachdem Mitte der 1880er Jahre die Brisanzmunition bei allen europäischen Armeen Einzug hielt, wurden massive Beton-Verstärkungen vorgenommen. Diese sind heute im Außenbereich noch gut über dem ursprünglichen Sandstein sichtbar. Auch erhielt das Fort seine moderne Artillerie-Ausstattung, bestehend aus einem 155-mm- und einem 75-mm-Geschütz-Dreh/Versenkturm Modell Gallopin, jeweils mit Panzerbeobachtungsglocke. Zusätzlich wurden zwei MG-Dreh/Versenktürme mit weiteren Beobachtungsglocken installiert.
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Durch mehrere Kompanien des Brandenburgischen Infanterie-Regiments 24 wurde das Fort Douaumont bereits am Nachmittag des 25.02.1916 nahezu kampflos eingenommen. Für die Deutschen überraschend war lediglich eine zirka 60 Mann starke Besatzung bestehend aus älteren Jahrgängen anwesend, die den technischen Betrieb der im Wesentlichen desarmierten Anlage aufrecht erhalten sollte. Das Fort leistete den Deutschen in den folgenden Monaten unschätzbare Dienste als Durchgangsstation, Lazarett, Lager-, Befehls- und Schutzraum unmittelbar hinter den vorderen Linien.
Nachdem am 22. Mai 1916 ein französischer Versuch zur Rückeroberung der Festung knapp an herangeführten deutschen Reserven scheiterte, wurde das Fort im Rahmen einer französischen Großoffensive am 24. Oktober 1916 wieder eingenommen und bis Kriegsende nicht mehr hergegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt lag es tagtäglich unter starkem französischen Artilleriefeuer, so dass sich das Erreichen und Verlassen der Anlage gefährlich gestaltete. Deutsche Soldaten gaben dem Fort de Douaumont auf Grund dieser Umstände den Spitznamen "Sargdeckel".
Am 08. Mai 1916 kam es im Fort zu einem schweren Explosionsunglück, bei dem nach unterschiedlichen Angaben einige Hundert bis zu Tausend deutsche Soldaten den Tod fanden. Nachdem sich in den völlig überfüllten Gängen aus Unachtsamkeit Flammenwerferöl entzündet hatte, flüchteten die dort lagernden Soldaten in den zentralen Bereich des Forts. Auf Grund der rußgeschwärzten Gesichter hielt man sie für französische Senegal-Truppen und bekämpfte sie mit Handgranaten. Hierdurch geriet zunächst ein Handgranatenlager in Brand. In der Folge kam es zur Explosion französischer 15,5 cm-Granaten, die aufgestapelt im Hauptgang des Forts lagerten. Sämtliche Lichter erloschen, es kam zu einer starken Hitze- und Rauchentwicklung. Es brach Panik aus. Viele der Soldaten, die nicht unmittelbar durch die Explosionen umkamen, wurden tot getrampelt oder starben an einer Rauchvergiftung. Ein Großteil der Opfer wurde später in zwei Frontwall-Kasematten des Forts eingemauert, an deren Zuwegung heute eine Gedenkstätte eingerichtet ist.
Nach den Kämpfen um die Festung entwickelten sich Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Angehörigen des Infanterie-Regiments 24, so maßgeblich zwischen den Offizieren Cordt von Brandis (8./IR 24) und Eugen Radtke (6./IR 24). Beide nahmen für sich in Anspruch, der erste Offizier im eigentlichen Fortsbereich gewesen zu sein. Cordt von Brandis, der durch ein Missverständnis zu diesem Ruf gelangte, hatte das Werk gesichert erst nach seiner Einnahme betreten und dies auch in den Folgejahren eingestanden. Er erhielt neben Hauptmann Hans-Joachim Haupt, Chef der 7./IR 24, für die Eroberung der Festung den höchsten militärischen Orden "Pour le Mérite". Nach dem Krieg schrieb er mehrere Bücher über die Kämpfe, zudem die 1930 erschienene Regimentsgeschichte des Infanterie-Regiments 24 mit dem Titel "Die vom Douaumont". Von den Nationalsozialisten wurde er als der Held vom Douaumont hofiert und nahm diese Rolle nicht ganz widerwillig an.
Eugen Radtke, der mit hoher Wahrscheinlichkeit als Chef der 6. Kompanie tatsächlich der erste Offizier im Fort war, wurde bereits am 26. Februar 1916 schwer verwundet und trug eine Gehbehinderung davon. Eine militärische Ehrung erhielt er nicht. Radtke verwand diese Ungerechtigkeit nicht. Er bemühte sich bis in die späten 1960er Jahre durch eine Vielzahl an Stellungnahmen, beispielsweise gegenüber dem Reichsarchiv, einzelnen Historikern wie German Werth oder auch gegenüber dem Bundesverteidigungsministerium, die tatsächlichen Abläufe, die Rolle seiner 6. Kompanie sowie den vermeintlichen Betrug von Brandis klarzustellen. Letztendlich bleibt dennoch der Name Cordt von Brandis in der militärhistorischen Darstellung mit der Einnahme des Fort Douaumont eng verbunden.
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Im Rahmen einer Gedenkveranstaltung für 35 deutsche Gefallene, deren Überreste im Sommer 2008 auf dem Hügel von Vauquois gefunden wurden und die auf der Kriegsgräberstätte Cheppy ihre letzte Ruhe fanden, wurden am 13. November 2009 auf dem Douaumont die Europäische, die Französische und die Deutsche Flagge hochgezogen. Alle drei Flaggen wehen seitdem gemeinsam auf der Panzerfeste.
Über mehrere Jahre hinweg fanden unter der Verantwortung der Mission du Centenaire 14 - 18 sowie unter Leitung des in Verdun geborenen Colonel Alain Artisson umfangreiche Arbeiten am Außengelände des Fort de Douaumont statt. Der Parkplatz wurde komplett neu gestaltet und befestigt. Eine weitere Zugangsmöglichkeit durch Öffnung des ehemaligen Kriegseinganges wurde geschaffen. Um von dort das Geländeniveau des weiterhin bestehenden Museums-Einganges zu erreichen, wurde neben einem weiteren Fußweg eine Aufzugsanlage errichtet. Das neue Gesamtkonzept wurde im Mai 2018 offiziell eröffnet.
Einer der 1916 im Fort de Douaumont tätigen Stabsärzte war der Berliner Frauenarzt Dr. Benno Hallauer. Er rettete bei der Explosionskatastrophe vom 08. Mai 1916 durch seinen furchtlosen Einsatz in den gasverseuchten Gängen des Douaumont dutzenden Soldaten das Leben. Über die Geschehnisse fertigte er einen Bericht an seine vorgesetzte Dienstelle, das III. preußische Armee-Korps, 5. Infanterie-Division, aus dem die ganze Dramatik der Ereignisse hervorgeht.
Eine Abschrift des Berichtes findet sich nebenstehend. |
Bereits 1913 hatte Dr. Hallauer in Berlin die Leitung einer privaten Frauenklinik im Hause Schiffbauer Damm 31/32 übernommen. Wegen einer Gasvergiftung wurde er kurz vor Kriegsende 1918 aus dem Militärdienst entlassen und widmete sich fortan intensiv seiner privatärztlichen Kliniktätigkeit. Seine Frauenklinik wurde rasch überregional bekannt und geschätzt. Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, waren Dr. Hallauer und seine Familie als Juden massiven Repressalien ausgesetzt, wenngleich er als Arzt wegen seiner Verdienste im Ersten Weltkrieg zunächst weiter praktizieren durfte.
1937 wurde Dr. Hallauer durch das Landgericht Berlin wegen "heimtückischer Verleumdungen des Führers" zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Während der Haft verlor er seine Klinik durch Zwangsversteigerung. 1939 wurde ihm die Approbation entzogen. Versuche namhafter Persönlichkeiten im In- und Ausland, unter ihnen Albert Einstein, seine Emigration aus Deutschland zu ermöglichen, scheiterten. Dr. Benno Hallauer zwangsübersiedelte nach Breslau und war dort noch einige Zeit an einem jüdischen Krankenhaus als "Behandler" tätig. 1943 wurde er mit seiner zweiten Frau von Breslau in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. |
Nachdem Cordt von Brandis im Zusammenhang mit seiner Version der Eroberung des Douaumont bereits unberechtigten Ruhm und zweifelhafte Berühmtheit erlangt hatte, tat er sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch mit der Behauptung hervor, er habe durch persönliche Fürsprache bei Rudolf Hess die Freilassung Dr. Benno Hallauers sowie eines weiteren Arztes aus dem Konzentrationslager Auschwitz und in der Folge deren Ausreise bewirkt. Ein entsprechendes Schreiben von Von Brandis aus dem Jahre 1971, etwa ein Jahr vor seinem Tod verfasst, liegt vor. Nach dem aktuellen Forschungsstand wurde Dr. Benno Hallauer aber nicht etwa befreit, sondern 1943 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Auch diese Verdrehung von Fakten wirft auf die historische Person des Cordt von Brandis ein mehr als zweifelhaftes Licht.
Das Klinikgebäude unter der damaligen Anschrift Schiffbauer Damm 31/32 am Berliner Spreebogen wurde bereits 1940 im Zuge der Planungen Albert Speers zur Umgestaltung der Reichshauptstadt abgerissen. Das Grundstück wurde 1997 an einen Sohn Dr. Hallauers, der in die USA emigriert und dort ein bekannter Dermatologe geworden war, zurück übertragen. Schon 1998 erfolgte die neuerliche Enteignung gegen Entschädigung im Zusammenhang mit dem Umzug der Bundesregierung an die Spree. Seit Ende der 1990er Jahre befindet sich an der Stelle das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus mit der Bibliothek des Deutschen Bundestages. Im Foyer der Bibliothek steht eine Büste Dr. Benno Hallauers, die 2005 von dem Graphiker und Schriftsteller Wieland Förster im Auftrag der Bundestagsverwaltung geschaffen wurde.
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Obwohl es sich um eine bemerkenswerte Familienbiografie über mehrere Epochen europäischer Geschichte handelt, findet das Schicksal dieses Arztes bis auf kurze Abhandlungen in der medizinischen Fachliteratur und vereinzelte private Forschungsarbeiten kaum Erwähnung. In dem Buch "Verdun 1916" von Dr. Olaf Jessen werden die Geschehnisse kurz abgehandelt. In Kapitel 9 und in Fußnote 79 geht der Autor ohne nähere Auseinandersetzung mit den erreichbaren Quellen davon aus, dass es sich bei dem Arzt im Douaumont nicht um Dr. Benno Hallauer gehandelt habe, vielmehr um Dr. Wilhelm Hanauer aus Frankfurt a.M.. Jessen scheint sich auf eine Veröffentlichung des Berichts vom 08. Mai 1916 durch das Deutsche Erinnerungskomitee Argonnerwald e.V. zu stützen, die 1991 in der Reihe "Informationen für Schlachtfeldbesucher" erschienen war. Hier kam es zu einem Fehler bei der Übertragung der in Sütterlin ausgeführten Namenszüge, so dass in den ersten herausgegebenen Exemplaren aus Hallauer fälschlich Hanauer wurde. Dieser Fehler wurde umgehend korrigiert. Die Darstellungen in Dr. Jessens Buch sind insofern nicht korrekt.
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