Vouziers - Etappenstadt im Zentrum des Departement Ardennes 1914-1918
Vouziers ist eine französische Stadt im Département Ardennes und in der Region Grand Est. Der Ort, erstmalig im 12. Jahrhundert erwähnt, lag schon im Mittelalter am Schnittpunkt wichtiger Handelsrouten. Vouziers entwickelte sich schnell zu einem regionalen Zentrum und ab Mitte des 16. Jahrhunderts zu einem wichtigen Markt für landwirtschaftsnahe Produkte, vor allem für den Getreidehandel und das Korbflechterhandwerk.
Vouziers wurde in den ersten Septembertagen 1914 bei der Verfolgung der zurückweichenden französischen Truppen von Teilen des VIII. Armee- und VIII. Reserve-Korps, die zur 4. (württ.) Armee gehörten, kampflos durchschritten. Bis Mitte Oktober 1914 war das Armee-Oberkommando 4 in Vouziers eingerichtet. Nach dessen Verlegung an die Flandern-Front traten die Einheiten der beiden Korps unter den Befehl des sodann in diesem Abschnitt zuständigen (sächs.) Armee-Oberkommandos 3. Von Oktober 1915 bis Januar 1917 unterhielt das AOK 3 sein zuvor in Bétheniville ansässiges Hauptquartier im Gebäude der heutigen Unterpräfektur von Vouziers. Bis zur alliierten "Maas-Argonnen-Offensive" im Herbst 1918 befand es sich sodann im "Château-Maison-Rouge" nahe Les Alleux.
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Ansonsten beherbergte Vouziers über den Kriegsverlauf wechselnde Etappeneinrichtungen, Befehlseinheiten diverser Korps, einzelner Divisionen und untergeordneter Truppenteile.
Auch Regimenter und einzelne Bataillone waren zeitweise in der Stadt einquartiert. So insbesondere in den großen Bauten der ehemaligen französischen Kürassier-Kaserne und der in der Stadt gelegenen und als Truppenunterkunft genutzten Korbfabrik in der Rue Gambetta, der damaligen "Kaiser-Wilhelm-Straße". Auf dem dortigen Gelände befindet sich heute das Cinéma Les Tourelles und die Bibliothèque Ludothèque Marcel Ortega. Von dem einst imposanten Gebäude ist lediglich der aufwendig gestaltete Torbau erhalten geblieben. Während der deutschen Frühjahresoffensiven des Jahres 1918 und bis zum Rückzug im Laufe der alliierten "Maas-Argonnen-Offensive" befand sich das Generalkommando der Gruppe Perthes unter dem General Adolf Wild von Hohenborn in der Stadt. |
Bereits am 8. September 1914, noch vor dem Höhepunkt der Marne-Schlacht, erreichten mit der 1. und 3. Kompanie Teile des K.S. Landsturm-Infanterie-Bataillons Nr. 1 "Leipzig" (47. Landsturm-Brigade, XIX. Armeekorps, 3. Armee) die Stadt Vouziers. Die beiden anderen Kompanien folgten wenige Tage später.
Der sächsische Landsturm war ursprünglich für den Etappendienst hinter dem Operationsgebiet der 4. (württ.) Armee vorgesehen. In Vouziers wurde zu diesem Zweck die "Mobile Etappen-Kommandantur Nr. 9" eingerichtet. Erster Kommandant war Rittmeister Dinglinger, K.S. LstInfB. Nr. 1 "Leipzig". Übergeordnet zuständig war ab Oktober 1914, nach der Neugliederung der Truppen an der Westfront, die Etappen-Inspektion 3 im Etappen-Hauptort Rethel. Das dortige Kommando hatte der Etappen-Inspekteur der 3. (sächs.) Armee, GenLt. Adolf Graf von Westarp. "Etappe" wurde der hinter dem "Operationsgebiet" der kämpfenden Truppe gelegene Abschnitt genannt, der von der feindlichen Artillerie nicht oder nur schwer erreicht werden konnte. Es ergab sich mit der Zeit eine sehr komplexe Organisations- und Befehlsstruktur, die sich vom Generalquartiermeister bei der Obersten Heeresleitung (OHL) über die jeweiligen Etappen-Inspekteure der einzelnen Armeen, die Etappenkommandanturen bis hinab zu einzelnen Ortskommandanturen erstreckte.
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Tausende Zivilbeamte und Soldaten, meist Angehörige von Landwehr- und Landsturm-Einheiten, ältere Jahrgänge und vielfach "Ungediente", waren in das Etappen-System eingebunden. Der Landsturm rekrutierte sich aus allen Schichten der Gesellschaft. Anwälte, Richter, Ärzte, Wissenschaftler, taten rangmäßig ohne Ansehen der Person ihren Dienst neben Arbeitern, Landwirten und Handwerkern.
Vor allem in den letzten Kriegsjahren verächtlich als "Etappenhengste" diskreditiert, mussten die Landsturm-Soldaten die gesamte logistische Kommunikation mit der kämpfenden Truppe und deren Versorgung mit allem Notwendigen organisieren. Unterstellt war der Etappenverwaltung auch das Eisenbahn- und Feldbahnwesen in dem betreffenden Gebiet, die Ordnungsgewalt und Gerichtsbarkeit sowohl für Zivil- als auch Militärpersonen, ebenfalls das Nachschub- und Sanitätswesen. Einheimische wurden in großer Zahl angeworben oder zwangsverpflichtet. Zudem kamen Kriegsgefangene zum Einsatz. Diese Hilfskräfte wurden insbesondere im Bausektor und in der Landwirtschaft eingesetzt.
Ursprüngliche Aufgabe des Landsturms sollte die Sicherung der beim Vormarsch durchschrittenen Ortschaften sowie der Straßen- und Bahnverbindungen sein. Schnell kam die Versorgung der kämpfenden Truppe und der Verwundeten hinzu. Für das K.S. LstInfB. "Leipzig" ist belegt, dass nach Übernahme des Etappendienstes in Vouziers allein vom 9. - 30. September 1914 insgesamt 47.794 Mahlzeiten an nachrückende Soldaten und von der Front zurückkehrende Verwundete ausgegeben wurden. Zudem wurden in diesem Zeitraum 2.457 Verletzte in provisorischen Lazaretten erstversorgt, bevor sie per Bahn in größere Städte wie Sedan oder direkt in Richtung Reichsgebiet weitertransportiert werden konnten.
Nach dem Einsetzen des Stellungskriegs musste das gesamte Nachschubwesen organisiert werden. Auch in Vouziers und Umgebung wurden noch funktionstüchtige Fabrikanlagen und Handwerksbetriebe wie Bäckereien, Schlachtereien, Sägewerke, ebenfalls ganze landwirtschaftliche Betriebe, reaktiviert, um die Versorgung der kämpfenden Truppe auch aus den Ressourcen des besetzten Gebietes zu bewerkstelligen.
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Im Gegensatz zu weiter rückwärtig gelegenen Etappenorten ist in Vouziers von dem ursprünglichen und vielfach auf Soldatenfotos festgehaltenen Stadtbild bis auf Fotos nur wenig erhalten geblieben. Besonders das Zentrum um den Marktplatz (Place Carnot) wurde zu Beginn der "Maas-Argonnen-Offensive" von französischer und amerikanischer Artillerie stark zerstört. Ende Oktober 1918, während der "Schlacht bei Vouziers", sollten deutsche Truppen die als Teil der Brunhild-Stellung auf dem Ostufer der Aisne gelegenen Höhen zurückerobern. Dabei beschoss auch die deutsche Artillerie das von den Franzosen wiederbesetzte Vouziers. Zu erneuten Zerstörungen kam es während des Frankreich-Feldzuges der deutschen Wehrmacht im Frühsommer 1940.
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Vouziers - "Der Landsturm - Einziges deutsches Militär-Wochenblatt auf Frankreichs Flur"
Über die Geschichte der Stadt Vouziers und vor allem die Geschehnisse während der deutschen Besatzungszeit im Ersten Weltkrieg lassen sich im Internet nur wenige detaillierte Informationen finden. Fündig wird man in einem zeitgenössischen Druckwerk, das bereits ab Oktober 1914 von deutschen Soldaten im Haus "Leipziger Straße" (Rue Chanzy) 15 hergestellt und herausgegeben wurde:
Zur Entwicklung des "Landsturm" bietet ein zeitgenössischer Artikel aus der Fachzeitschrift "Archiv für Buchgewerbe", 51. Band, Teil 2, Jahrgang 1914, Seite 279 f., interessante Details:
"Der Landsturm nennt sich eine Zeitung, die in der französischen Stadt Vouziers erscheint und nach den Bemerkungen im Titel das einzige deutsche Militärwochenblatt auf Frankreichs Flur darstellt. Es sind vier Leipziger Buchgewerbler und zwar die Herren: Berger, Rauch, Vogt und Ludwig, die mit der 3. Kompagnie des Kgl. Sächsischen Landsturmbataillons Nr. 1 Leipzig in Vouziers stationiert sind und es dortselbst unternommen haben, in der früheren Druckerei Livoir die Herausgabe des Blattes zu ermöglichen. Vorher wurde dortselbst die Zeitung L'Impartial de Vouziers herausgegeben, Journal de L'Arrondissement, Politique, Litteraire, Agricole, Commercial &D'Annonces, die Mittwochs, Freitags und Sonntags erschien; diese ist nun abgelöst worden von dem Landsturmblatt.
Die Zeitung wird redigiert von den Offizieren der 3. Kompagnie. Bataillonskommandeur ist Major Rühle, die weiteren Offiziere sind Oberleutnant Schrömbgens, Rechtsanwalt am Reichsgericht in Leipzig und Führer der 3. Kompagnie; Oberleutnant Meyer, Rechtsanwalt, Leipzig; Leutnant Singer, Prokurist der Bankfirma Meyer & Co., Leipzig; Leutnant Ostwald, Sohn des bekannten Leipziger Professors.
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Unsre Abbildung zeigt das Druckereigebäude und die darunter befindliche Skizze die Einrichtung der Räume. Das Gebäude ist etwa 6 Meter breit und 17 Meter tief, besitzt vorn ein Ladenfenster, in dem jetzt allerhand vaterländische Schriften und Bilder, darunter auch ein solches der 42 Zentimeter-Granate zur Schau aufgehängt sind. Die Mitglieder der Landsturmfirma stehen vor dem Geschäftseingang und zwar von links nach rechts: Setzer Vogt, Setzer Berger, Faktor Rauch und Drucker Ludwig.
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Aus einer uns eingesandten Beschreibung ist zu entnehmen, daß die sanitären Verhältnisse dort herzlich schlecht sind, wie sie bei uns nicht sein dürfen. Die Auswahl an Schrift- sowie an Ziermaterial ist eine sehr geringe, Messinglinien gibt es so gut wie gar nicht, dafür sind Bleibahnen vorhanden, die zurecht gehobelt werden müssen. Die Druckerei enthält eine Schnellpresse im Format von 78 x 55 Zentimeter aus der Fabrik von Marinoni, Paris. Die Maschine hat Tischfärbung und ist schlecht in Stand gehalten, die Walzenspindeln sind verbogen, so daß die Walzen beim Gang über die Form springen. Um so anerkennenswerter ist es, wenn trotz dieser ungünstigen Maschinenverhältnisse eine so saubere Drucklegung der Zeitung ermöglicht wurde. Eine Tiegeldruckpresse mit Namen: LaMinerve von der Firma S. Berthier & Dewey, Paris, stammend, ist in etwas besserem Zustande. Sie hat verschiedene praktische Einrichtungen und auf ihr sind eine Anzahl kleinere Akzidenzdrucksachen hergestellt worden, die uns ebenfalls eingesandt wurden und aus denen zu entnehmen ist, daß die Landsturmfirma auch auf diesem Gebiete Anerkennenswertes und direkt Nützliches leistet, indem sie unter anderm auch notwendige Drucksachen für die Etappenkommandantur herstellt. Wir geben in Verkleinerung noch eine Ankündigung des Kommandanten Dinglinger wieder, die allgemein bekannt zu werden verdiente und aus der zu ersehen ist, daß für die durch den Krieg arg mitgenommene Bevölkerung nach Möglichkeit gesorgt wird, denn es wird bekanntgegeben, daß von Sonntag, den 15. November an, in der rue Gambetta 22, 1. Etage, ein Verkauf von allerhand Kleidungsstücken und sonstigen Sachen stattfindet zu billigen Preisen gegen sofortige Bezahlung.
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(...) Durch Verlegung der Landsturmkompagnie von der Etappenstraße nach einem andern Orte war dann das Erscheinen der Landsturmzeitung in Frage gestellt, in der Nr. 5 wurde dies auch angekündigt und diese Nummer zugleich als Abschiedsnummer bezeichnet. Inzwischen ist aber eine weitere Nr. 6 bei uns eingegangen, die folgende Bekanntmachung enthält:
Se. Kgl. Hoheit der Kronprinz von Sachsen hatte, wie in der letzten Nummer mitgeteilt, die Hoffnung ausgesprochen, dass es gelingen moege, unsere Zeitung auch dann weiter erscheinen zu lassen, wenn unsere Kompagnie von Vouziers wegverlegt werden wuerde. Dank den ausserordentlichen Bemuehungen Sr. Excellenz des Herrn Generalleutnants Mueller, Kommandeurs der 47. Gemischten Landwehrbrigade, und dank der hilfreichen Unterstuetzung durch die Etappen-Inspektion 3 ist es der Schriftleitung bis auf weiteres ermoeglicht, auch von ihrem jetzigen Standorte aus die Zeitung heraus zugeben und durch unsere Landsturmdrucker herzustellen.
Wir hoffen, dass zu unseren bisherigen Mitarbeitern, auf deren weitere Unterstuetzung wir rechnen koennen, recht viel neue hinzukommen, deren Beitraege wir an eins der unterzeichneten Mitglieder der Schriftleitung (3. Komp. I. Saechs. Landst.-Inf.-Batl. Leipzig, Etappen-Inspektion 3) erbitten. Auch die weiteren Nummern unserer Zeitung werden, wie die bisherigen, unter dem Wahlspruch stehen:
Mit Gott fuer Koenig und Vaterland. Mit Gott fuer Kaiser und Reich ! Pont Faverger, 29. November 1914. Schroembgens, Meyer, Singer, Oberleutnant. Leutnant. Leutnant. |
Die Schriftleitung des Archiv für Buchgewerbe ist durch das freundliche Gedenken der Landsturmfirma im Besitz sämtlicher Nummern der Feldzeitung, die den Sammlungen des Deutschen Buchgewerbevereins zur sorgsamen Aufbewahrung überwiesen werden. So unscheinbar das Druckerzeugnis auch ist, stellt es doch ein Kulturdokument aus dieser furchtbar ernsten Zeit ganz eigner Art dar, wie es in den Reihen unsrer Feinde, die uns Barbaren schimpfen, sicherlich nicht zu finden sein wird."
Quelle: "Archiv für Buchgewerbe", 51. Band, Jahrgang 1914, Seite 279 f.
Bei der Herstellung der Zeitung kamen französische Druckmaschinen zum Einsatz, bei denen naturgemäß auch französische Buchstabensätze verwendet wurden. So erklärt sich, dass in den Texten und Annoncen neben dem "Eszett" sämtliche Umlaute fehlen. Stattdessen mussten die Buchstabenkombinationen "ae", "ue" und "oe" benutzt werden. Auch findet sich vereinzelt und wohl versehentlich der Buchstabe "é" mit einem "accent aigu".
"Einziges deutsches Militär-Wochenblatt auf Frankreichs Flur" nannte sich "Der Landsturm" in den Feldnummern 1 (11. Oktober 1914) bis 7 (31. Dezember 1914). Später lautete der selbst verliehene Titel "Erstes, ehemals einziges deutsches Militär-Wochenblatt auf Frankreichs Flur".
Bereits die auf die Einzigartigkeit hinweisende Aussage war zum Erscheinungszeitpunkt der Militärzeitung nicht mehr zutreffend. Erst recht gilt das für die spätere Qualifizierung als "erstes, ehemals einziges" Medium seiner Art. Bereits ab September 1914 wurden viele derartige soldatische Pressewerke bei unterschiedlichen Einheiten, wenn auch zunächst noch in kleiner Auflage, gefertigt und an die Soldaten verteilt.
Militärzeitungen gab es zudem nicht nur bei der deutschen Armee, sondern auch bei den meisten anderen kriegführenden Nationen. Belegt sind sie ab dem 16. Jahrhundert. Sie traten verstärkt ab Ende des 18. Jahrhunderts in Erscheinung. Bekannt ist beispielsweise ein deutsches Exemplar aus der Zeit der Befreiungskriege mit dem Namen "Zeitung aus dem Feldlager". Diese erschien erstmalig am 23. September 1813 im Lüneburger Hauptquartier des russischen Generals Baron Friedrich Karl von Tettenborn.
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Feld- und Soldatenzeitungen wurden zu Beginn des Ersten Weltkrieges zunächst von einzelnen mehr oder minder begabten Soldaten, mit einfachen Mitteln und vorwiegend für die Kameraden der eigenen Einheit oder des betroffenen Frontabschnitts herausgegeben. Mit ihrem zumeist humoristischen und satirischen Inhalt hatten sie die Aufgabe, die Soldaten zu unterhalten, über regionale Ereignisse wie kirchliche Messen, Festivitäten, Theateraufführungen und wenn überhaupt nur allgemein über den Kriegsverlauf oder politische Themen aus der Heimat zu informieren. Man vermutet, dass allein in den ersten beiden Kriegsjahren mehr als 200 solcher Titel bei Front- und Etappeneinheiten erschienen sind. Leider haben nur wenige Exemplare den Weg zurück in die Heimat gefunden, sodass heute nur noch ein Bruchteil dieser authentischen Werke in Archiven oder Bibliotheken erhalten ist. Die größte und am besten erschlossene Sammlung findet sich in der Bibliothek der Universität Heidelberg und ist digital verfügbar.
Anfänglich wurden diese kleinen Werke militärischer Pressearbeit außerhalb des Einflussbereichs höherer Kommandobehörden erstellt. Mitte 1916 wurde jedoch die Oberste Heeresleitung (O.H.L.) aufmerksam und erkannte die Möglichkeit, mit ihnen die Stimmungen und Meinungen in der Truppe zu steuern und propagandistisch zu beeinflussen. Es wurde bei dem Generalstab des Feldheeres die "Feldpressestelle" geschaffen, die bis Kriegsende zentralisiert auf den Informationsfluss im Front- und Etappengebiet einwirkte. Nach und nach - vielfach erst auf entsprechenden Befehlsdruck - verschwanden die unabhängigen Soldatenzeitungen mit ihren erstaunlich offenen, kritischen und teilweise auch frivolen Artikeln. Sie wurden von professionell erstellten Zeitungen auf Divisions-, Korps- und vor allem auf Armee-Ebene abgelöst.
Die Feldzeitung "Der Landsturm" entging diesem zwangsweisen Ende, wenn auch in der Sache nicht erfolgreich. Wie die nebenstehende Mitteilung der Schriftleitung aus der am 31. Oktober 1915 erschienenen 21. Feldnummer ankündigte, sollte es sich um die letzte Ausgabe handeln. Die 3. Kompanie des K.S. Landsturm-Infanterie-Bataillon Nr. 1 "Leipzig" war bereits im November 1914 aus Vouziers nach Pont-Faverger verlegt worden. Dennoch konnte unter Schwierigkeiten der Druck und die Herausgabe des Blattes mit einem Verlagsstandort in Vouziers aufrechterhalten werden. Ende Oktober 1915 waren jedoch die meisten der beteiligten Offiziere und Mannschaften zu unterschiedlichen Einheiten versetzt worden. Die weitere Publikation des "Landsturm" erwies sich als nicht mehr praktikabel.
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Ehemalige Mitarbeiter wechselten zu anderen Zeitungen. Viele von ihnen arbeiteten fortan für die bereits im Januar 1915 begründete und zunächst in Monthois, später in Savigny-sur-Aisne, herausgegebene Soldatenzeitung des VIII. Reserve-Korps, die "Champagne Kriegs-Zeitung". Andere fanden eine neue Beschäftigung bei dem im Dezember 1915 erstmalig erschienenen "Champagne-Kamerad", der in Charleville-Mezières verlegten, offiziellen Feldzeitung der 3. Armee.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Vita eines der für die Soldatenzeitung "Der Landsturm" verantwortlichen Offiziere: Oberleutnant Dr. Heinrich Schrömgens, Führer der 3./LstInfB. Nr. 1 "Leipzig" und von Beginn an einer der Schriftleiter.
Olt. Schrömbgens (1874-1956) war, wie sein Offiziers- und Schriftleiterkollege Olt. Meyer auch, im Zivilberuf Rechtsanwalt. Nach dem Studium war Schrömbgens längere Zeit in Köln tätig und zuletzt am Oberlandesgericht Köln anwaltlich zugelassen. Schon während der gemeinsamen Studienzeit hatte sich eine enge Freundschaft zu dem Notar, späteren Oberbürgermeister Kölns und ersten Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer entwickelt.
Schrömbgens siedelte 1912 nach Leipzig über und wurde einer der wenigen explizit als solcher zugelassenen Rechtsanwälte bei dem dortigen Reichsgericht. Trotz dieser exponierten Tätigkeit zog er zu Kriegsbeginn als Führer der 3. Kompanie des K.S. Landsturm-Infanterie-Bataillon Nr 1. "Leipzig" in den Ersten Weltkrieg. |
Nach Ende des Krieges nahm Dr. Heinrich Schrömbgens seine Anwaltstätigkeit am Leipziger Reichsgericht wieder auf und praktizierte bis zu dem durch den Zweiten Weltkrieg bedingten Abbruch der Gerichtstätigkeit im Jahr 1944.
Obwohl Schrömbgens sich während der Zeit des Nationalsozialismus in größerem Stil jüdisches Grundvermögen angeeignet hatte, wurde er nach Kriegsende als Rechtsanwalt zunächst am Obersten Gerichtshof für die Britische Zone in Köln und sodann am Bundesgerichtshof in Karlsruhe zugelassen. Zudem wurde ihm 1954 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Mit 79 Jahren war er und bleibt das bis heute der älteste Rechtsanwalt am BGH. Dr. Heinrich Schrömbgens war unter anderem als Geschädigten-Anwalt in einem der kuriosesten Nachkriegsprozesse der noch jungen deutschen Republik tätig, dem sogenannten VW-Sparer-Prozess. |
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Vouziers - Zivilfriedhof und Deutsche Kriegsgräberstätte
Auf der Internetseite des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. ist nachzulesen, dass auf der Deutschen Kriegsgräberstätte Vouziers 4.860 deutsche Kriegstote des Ersten Weltkrieges ruhen. Der Friedhof sei nach Kriegsende von den französischen Militärbehörden als Sammelfriedhof angelegt worden. Zubettungen erfolgten aus Vouziers und aus dem Bereich von 16 umliegenden Gemeinden und Ortsteilen. Auf dem Soldatenfriedhof selbst ist vermerkt, dass 3200 Soldaten in einem großen Sammelgrab ruhen und 2978 von ihnen unbekannt blieben.
Zwar geht die heutige Gestaltung des Soldatenfriedhofs, wie es beim Volksbund zutreffend heißt, auf die Arbeiten der französischen und deutschen Stellen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zurück. Das Gelände der Kriegsgräberstätte wurde jedoch bereits ab dem Kriegsjahr 1916 von der Truppe intensiv zu Begräbniszwecken genutzt.
Neben Einzelgräbern wurden bereits ab dem Jahr 1916 auf allen Friedhofsteilen und auch an der Stelle des heutigen Kameradengrabs Sammelgräber angelegt. Auf weißen Marmorplatten waren die Namen hunderter dort bestatteter Soldaten vermerkt. Das immer noch existente Steinkreuz stand bereits vor Ort, war zu Kriegszeiten jedoch weiß angestrichen. |
Die Entstehungsgeschichte der Kriegsgräberstätte Vouziers beginnt auf dem benachbart liegenden Zivilfriedhof. Hier waren schon vor dem Ersten Weltkrieg deutsche Soldaten bestattet, nämlich neun Opfer des Deutsch-Französischen Krieges. An der östlichen Mauer befand sich ein Sammelgrab, das von französischer Seite fürsorglich gepflegt wurde. Dort fanden im September 1914 auch etwa 85 deutsche Gefallene aus den schweren Kämpfen zum Ende der Marne-Schlacht ihre letzte Ruhe. Von dem Grab, seinen aufwendigen Grabzeichen und Denkmälern, existieren viele zeitgenössische Fotos. Neben dem Wandverputz ist jedoch lediglich der auf dem nebenstehenden Foto rechts zu sehende Grabstein des Feldwebels Friedrich Hermann Walther, K.S. Schützen-Regiment 108, erhalten, der am 19. Juli 1871 in der Aisne ertrank.
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Bereits ab Mitte September 1914 wurden in Vouziers diverse Feldlazarette geschaffen, so in dem damaligen "Hospice", dem heutigen städtischen Krankenhaus, oder den großen Schulen, bspw. einem Gebäude des heutigen Lycee professionel Jeanne d'Arc. In der Kürassier-Kaserne entstand ein Kriegslazarett. Viele Verwundete aus den Argonnen-Kämpfen und Champagne-Schlachten wurden in Vouziers behandelt. Darunter waren nicht nur deutsche Soldaten, sondern auch Franzosen, Kolonialtruppen, Italiener und später auch Russen und Tschechoslowaken. Hinzu kamen Kriegsgefangene vieler Nationen, die zu Arbeitszwecken und beim Stellungsbau eingesetzt wurden, ebenso zivile Angehörige des Sanitäts- und Krankenpflegedienstes, die sich vielfach mit Krankheiten der Soldaten wie bspw. Tuberkulose oder Typhus ansteckten.
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Der militärische Sanitätsdienst wurde erstmals im Ersten Weltkrieg durch ziviles Personal ergänzt. Akteure waren neben dem Roten Kreuz die einzelnen Ritterorden, so vor allem Johanniter, Malteser, Samariter, die katholischen Pflegeorden, Diakonien und jüdische Krankenpflegevereine. Die Teilnahme geschah auf freiwilliger Basis. Einzelheiten regelte die 1907 erstmalig erschienene "Dienstvorschrift für die freiwillige Krankenpflege". Während des Ersten Weltkrieges waren mehr als 220.000 Frauen und Männer in der freiwilligen Krankenpflege tätig. Es "geziemte" sich besonders für die "höheren Töchter" aus adeligen und gutbürgerlichen Familien, Sanitätsdienst zu leisten. Etwa ein Drittel von ihnen arbeitete in frontnahen Lazaretten. Die Entlohnung gestaltete sich mit monatlich 30 bis 100 Reichsmark gering. Dafür waren die gemachten Erfahrungen für die meist behütet aufgewachsenen jungen Frauen unendlich grausam.
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Die immer größer werdende Zahl Gefallener erforderte schon im Herbst 1914 die Anlage von Sammelgräbern auf dem Zivilfriedhof von Vouziers. Diese wurden zunächst auf dem östlichen, später auf dem teils noch unbelegten mittleren und westlichen Teil geschaffen.
Wie zu Kriegsbeginn noch üblich, fanden feierliche Einweihungszeremonien statt, an denen regelmäßig auch höhere Offiziere bis hinauf in die Generalränge teilnahmen. Zu einer ersten solchen Feier kam es unter Beteiligung des Etappen-Inspekteurs der 3. Armee, GenLt. Adolf Graf von Westarp, am 22. Oktober 1914. Hierüber berichtet "Der Landsturm" in einem Artikel der Ausgabe Nr. 3. vom 25. Oktober 1914:
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In den folgenden Monaten wurden auf dem Gelände des Zivilfriedhofs von Vouziers nahezu täglich Beisetzungen vorgenommen. Vor allem wurden Verstorbene aus den Lazaretten bestattet. Aufwändig gestaltete Grabmäler ersetzten mit der Zeit einfachere Varianten und metallene die zunächst schlichten Holzkreuze. Die immer weiter steigende Zahl an Toten machte alsbald eine Ausdehnung des Begräbnisgeländes erforderlich. So wurde zunächst am westlichen Rand des Friedhofs, in Richtung der heutigen Rue de Syrienne, eine Erweiterungsfläche geschaffen. Zeitgenössische Fotos belegen, dass auch hier in kurzer Zeit viele Einzel- und auch Sammelgräber entstanden. Als schon bald auch diese Fläche nicht mehr ausreichte, wurde spätestens im Jahr 1916 das benachbarte Gelände der heutigen Kriegsgräberstätte für Beerdigungszwecke erschlossen.
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Nach Kriegsende und zunächst noch ohne Involvierung deutscher Stellen wurden von französischer Seite die auf dem Zivilfriedhof befindlichen deutschen Grabstätten und die westlich des Friedhofsgeländes gelegenen Gräber vollständig beseitigt und die Gefallenen auf das Gelände des heutigen Soldatenfriedhofs umgebettet. Dabei wurde, wie in den ersten Friedensjahren leider üblich, nicht gerade zimperlich vorgegangen. Ein Reisebericht in der 2. Ausgabe der im Jahr 1921 erstmalig erschienen Volksbundzeitschrift "Kriegsgräberfürsorge" (heute: "Frieden") belegt die bereits damals vorgenommenen Umbettungen und einen insgesamt verwahrlosten Zustand der deutschen Friedhofsteile auf und um den Zivilfriedhof sowie auch des Geländes der heutigen Kriegsgräberstätte von Vouziers.
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Bei den Umbettungsarbeiten wurden viele der teils aufwändig gestalteten Grabzeichen und vor allen Dingen auch die marmornen Namensplatten auf den diversen Sammelgräbern entfernt. 1925 wurde bei einer Nachsuche im Aushub des französischerseits angelegten Kameradengrabes des Nordfriedhofs eine dieser Platten gefunden. Deren weiteres Schicksal und auch das der übrigen ist ungeklärt.
Die toten und umzubettenden Soldaten fanden überwiegend in zwei großen Sammelgräbern innerhalb der Bodenmarkierung des aktuellen Kameradengrabes ihre letzte Ruhe. Viele wurden namentlich nicht erfasst. Einige Hundert Bestattete konnten in aktueller Zeit anhand von Archivunterlagen, Gefallenenlisten, Totenbüchern oder zeitgenössischen Fotos ermittelt werden.
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Aus der Anfangszeit des Ersten Weltkrieges und des militärischen Gräberdienstes in Vouziers ist auf dem Zivilfriedhof ein weiteres, auf Anhieb nicht als solches erkennbares Relikt erhalten geblieben. Es handelt sich um ein in der nordwestlichen Ecke stehendes Denkmal aus hellem Sandstein, in das aus Granit ein schwarzes Kreuz eingelassen ist. Auf dessen Querbalken lässt sich mit Mühe der Schriftzug "HONNEUR AUX MORTS!" erkennen.
Wie die Sprachwahl vermuten lässt, diente das Denkmal der Ehrung französischer Verstorbener. Zeitgenössische Fotos belegen, dass es bereits 1915 an Ort und Stelle stand, und zwar am Kopf eines aufwändig gestalteten Sammelgrabes.
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In diesem Sammelgrab waren französische Gefallene und in den Lazaretten ihren Wunden erlegene Soldaten bestattet. Es waren Opfer der schweren Kämpfe Ende 1914/Anfang 1915 während der sogenannten "Winterschlacht in der Champagne". Eine weitere Inschrift am Fuß des Kreuzes weist aus, dass Denkmal und Grab nicht etwa von französischer Seite, sondern von Angehörigen des VIII. Reserve-Korps (15. und 16. Reserve-Division) errichtet wurde. Dessen rheinische Regimenter waren bereits im September 1914 in die Gegend um Vouziers vormarschiert und hatten dort diverse Befehlsstellen und Versorgungseinrichtungen etabliert. Bis zum Frühjahr 1917 verblieben sie im dortigen Kampf- und Etappengebiet.
Neben dem deutschen Denkmal befinden sich im westlichen Teil des Zivilfriedhofes von Vouziers zwei große Gräberfelder, auf denen Verstorbene aus den deutschen Lazaretten zusammengelegt wurden. Es handelt sich nach offiziellen Angaben um 74 Franzosen, 72 Russen und einen Rumänen. In einer unscheinbaren Gruft liegen französische Gefallene ehemaliger Kürassier-Einheiten aus dem Zweiten Weltkrieg, vor allem aus den schweren Verteidigungskämpfen in den Ardennen im Jahr 1940 (Schlacht um Stonne).
Für die französischen Verstorbenen des Ersten Weltkriegs lassen sich anhand der staatlichen Gefallenendatenbank "Mémoire des Hommes" überwiegend Verwundungs- und Todeszeitpunkte in den Kriegsjahren 1915 bis 1918 feststellen. Wahrscheinlich ist, dass entgegen offizieller Darstellung jedenfalls ein Teil der russischen Toten keine arbeitsverpflichteten Kriegsgefangenen waren, sondern Angehörige des für Frankreich kämpfenden russischen Expeditionskorps. Dessen 1. Sonder-Brigade war von Juni 1916 bis April 1917 zur Entlastung der Verdun-Front zunächst in der Champagne zwischen den Orten Suippes und Auberive und später im Abschnitt um das Fort de la Pompelle östlich Reims eingesetzt. Entsprechende Hinweise finden sich auch in den beim Bundesarchiv in Berlin (ehem. WASt) einsehbaren Totenbüchern des Kriegslazaretts, wo die Einlieferung von jedenfalls 21 der in Vouziers bestatteten russischen Soldaten im maßgeblichen Zeitraum festgehalten ist.
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Ein weiteres Kuriosum auf dem Zivilfriedhof von Vouziers stellt das Einzelgrab des aus Steventon, Oxfordshire, stammenden englischen Soldaten Ernest Woodley dar. Private Woodley war Angehöriger des 2nd Battalion des Royal Berkshire Regiment. Er starb am 9. August 1918 im Alter von 39 Jahren in einem Lazarett in Vouziers an Herzversagen.
Wie der englische Soldat nach Vouziers gelangte, ist nicht eindeutig geklärt. Seine Einheit, das 2nd Battalion des Royal Berkshire Regiment, kämpfte ab dem 24. März 1918 an der Somme als Teil der 25th Infantry Brigade. Hier geriet es in den von den Deutschen "Unternehmen Michael" genannten Auftakt zur sogenannten "Frühjahrsoffensive 1918". Nach hohen Verlusten wurden die Reste der Einheit Ende April 1918 aus der Front gezogen. Bereits am 27. Mai 1918 sahen sie sich an vermeintlich ruhigerer Stelle einem neuerlichen deutschen Großangriff ausgesetzt, dem zwischen Noyon und Reims vorgetragenen "Blücher- und Yorck-Angriff" (englisch: "3rd Battle of the Aisne"). Das 2nd Battalion wurde überrannt und aufgerieben. Es verlor bei diesen Kämpfen etwa 700 Mann, darunter 2 Tote, 51 Verwundete und etwa 650 Vermisste. Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist Private Ernest Woodley als Verwundeter und einer der Vermissten in deutsche Gefangenschaft geraten, nach Vouziers verbracht worden und dort im Lazarett gestorben.
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Bei einem Besuch der Kriegsgräberstätte Vouziers lohnt sich eine genauere Betrachtung der erhaltenen zeitgenössischen deutschen Grabsteine. Es handelt sich teils um bildhauerisch anspruchsvolle Arbeiten. Das gilt bspw. für den Grabstein der Landsturmmänner Philipp Moog und Gerhard Ullenboom, die am 10. Juni 1916 als Armierungssoldaten (4./ArmB 60) starben. Teilweise finden sich Grabsteine, deren ursprünglicher Standort auf einem der vielen zeitgenössischen Fotos nachvollzogen werden kann. Das gilt bspw. für den aus rotem Granit gefertigten Stein des Hptm.d.R. und Oberförsters Gustav Adolf Kiessling, der als Führer der 1. Batterie des (sächs.) Reserve-Feldartillerie-Regiments 53 am 6. Oktober 1915, zu Beginn der "Herbstschlacht in der Champagne", nahe Ripont gefallen ist.
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anchor: RolandGarros
Vouziers - der französische Pilot Roland Garros
Die diesen Artikel abschließende Geschichte befasst sich mit einem imposanten Soldatengrab auf dem Zivilfriedhof der Stadt Vouziers. Bestattet wurde dort im Jahr 1918 der ehemalige französische Flugpionier Roland Adrien Georges Garros, den die Allermeisten eher mit dem Tennissport als mit dem Ersten Weltkrieg in Verbindung bringen.
Dass der spätere Kampfpilot trotz sehr überschaubarer Erfolge im Luftkampf eine auch militärhistorisch wichtige Persönlichkeit wurde und in Frankreich größere Bekanntheit erlangte als Fliegerasse wie Jean Navarre, René Fonck oder Georges Guynemer, bleibt bis heute ein Mysterium. Sein gesamtes Leben und auch dessen Schilderung nach dem Krieg war geprägt von einer übertriebenen Heroisierung durch die französische Presse und auch einer intensiven Legendenbildung. |
Roland Garros wurde am 6. Oktober 1888 auf der französischen Insel Réunion im Indischen Ozean geboren. Mit 12 Jahren schickten ihn seine Eltern zum Schulbesuch nach Frankreich. 1907 nahm Garros an der Pariser Universität Sorbonne ein Studium in den Fächern Wirtschaftswissenschaften, Jura und Musik auf. Dieses brach er wenig später ab, nachdem er sich im Jahr 1908 auf einer Flugschau in Reims entschlossen hatte, Flieger zu werden. 1910 erhielt Garros seine Fluglizenz und nahm in den folgenden Jahren erfolgreich an diversen Flugwettbewerben Teil. In einer modifizierten Morane-Saulnier G gelang ihm 1913 mit einer Flugzeit von etwa 6 Stunden und auf einer Strecke von etwa 750 Kilometern der erste Direktflug über das Mittelmeer von Fréjus (Frankreich) nach Bizerte (Tunesien).
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Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs trat Roland Garros im Rang eines Lieutenants der französischen Fliegertruppe bei. Mit der zunächst in Villers-lès-Nancy und später in Nordfrankreich und Belgien stationierten Escadrille Morane-Saulnier 23 (M.S. 23) war er anfangs zu Aufklärungsflügen und später auch als Kampfpilot eingesetzt.
Im August 1914, einige Tage nach Kriegsbeginn, wurde in französischen Zeitungen die Nachricht verbreitet, Garros sei in der ersten Luftschlacht der Weltgeschichte heldenhaft gefallen. Angeblich habe er mit seinem Flugzeug absichtlich einen deutschen Zeppelin gerammt, diesen zum Absturz gebracht und sei dabei getötet worden. In Wirklichkeit hielt sich Garros zu dieser Zeit als Fronturlauber in Paris auf und war kerngesund. |
Ab Ende 1914 arbeitete Roland Garros mit Technikern der Saulnier-Werke in Puteaux bei Paris an einer Möglichkeit, mittels eines im Sichtfeld des Piloten montierten Hotchkiss-Maschinengewehrs durch den Propellerkreis zu schießen. Erste Versuche, die Schuss-Kadenz des Gewehrs der Rotation des Propellers anzupassen, scheiterten. Entwickelt wurden letztlich spezielle Propellerblätter und Metallkeile (Deflektoren), die die prekären Kugeln seitlich vom Propellerblatt ablenken und so Beschädigungen verhindern sollten. Mit dieser einfachen Technik errang Garros im April 1915 immerhin drei bestätigte Luftsiege.
Am 18. April 1915 wurde Roland Garros nach einem Angriff auf die Eisenbahnstrecke zwischen dem belgischen Ort Ingelmunster und der Stadt Kortrijk östlich Ypern entweder durch technischen Defekt oder durch einen Infanterietreffer in eine Benzinleitung seines Flugzeuges zur Notlandung gezwungen. Garros wurde auf einem Gehöft zwischen den Ortschaften Lendelede und Hulste von württembergischen Kavalleristen gefangen genommen.
Die Reste des französischen Flugzeuges, einer modernen Morane-Saulnier N, wurden nach Deutschland transportiert und in den Fokker Flugzeugwerken nahe Schwerin (Fokker Aeroplanbau GmbH) untersucht. |
Vielfach ist auch heute noch zu lesen, dass der für das deutsche Militär arbeitende niederländische Ingenieur und Flugpionier Anthony Fokker die am Flugzeug von Roland Garros festgestellte Deflektor-Technik verfeinert und als Grundlage eines von ihm später entwickelten Unterbrechergetriebes genommen habe. Auch diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Von allen Krieg führenden Nationen wurde bereits vor Kriegsbeginn an Möglichkeiten einer starren und automatisierten Bewaffnung von Flugzeugen gearbeitet. Bereits 1913 hatte der aus der Schweiz stammende Ingenieur Franz Schneider eine entsprechende "Abfeuerungsvorrichtung für Schußwaffen auf Luftfahrzeugen" beim Deutschen Kaiserlichen Patentamt eintragen und schützen lassen.
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Dem für die Saulnier-Werke arbeitenden französischen Ingenieur Louis Peyret war es ebenfalls bereits Anfang 1914 gelungen, eine ähnliche Unterbrecher-Hydraulik zu entwickeln. Aufgrund schlechter Qualität und ungleichmäßiger Zündzeitpunkte der französischen Munition kam diese jedoch zunächst nicht zum Einsatz.
Zwar wurden auch vonseiten des Teams um Anthony Fokker Versuche unternommen, die Propellerblätter der Flugzeuge mittels Deflektoren oder anderen metallischen Vorrichtungen zu schützen. Diese scheiterten jedoch allesamt an der hohen Geschossenergie und Durchschlagskraft der deutschen Stahlmantelmunition.
Bereits einige Monate vor der Inbesitznahme des französischen Flugzeuges von Roland Garros hatten Spezialisten um den Ingenieur Heinrich Lübbe anhand der von Franz Schneider erfundenen Technik ein speziell für die unterschiedlichen Fokker Eindecker gedachtes Synchronisationsgetriebe entwickelt. Fokker rüstete im Mai 1915, nach dessen Serienreife, spontan einen A.III-Einsitzer mit einem entsprechend synchronisierten Parabellum-MG aus und fuhr, das Flugzeug im Schlepptau, in einem seiner Sportwagen nach Berlin. |
Auf dem Militärflugplatz Döberitz führte er seine Erfindung Vertretern des Generalstabs und dem gerade erst eingesetzten „Chef des Feldflugwesens“, General der Flieger Hermann von der Lieth-Thomsen, vor.
Die hohen Offiziere erkannten das Potenzial der neuen Technik. Man vereinbarte, einen Prototyp des neuen "Kampf-Einsitzers" den Armeeführungen entlang der Westfront vorzustellen. Im Juni 1915 begab sich Fokker mit dem Kampfpiloten Leutnant Otto Parschau auf Reisen. Erste Station war am 13. Juni 1915 das Hauptquartier des deutschen Kronprinzen (5. Armee) bei Stenay. Am 23. Juni 1915 folgte die 6. Armee in Lille mit dem bayerischen Kronprinzen. Später wurde das Probemodell noch von den deutschen Piloten Oswald Boelcke und Max Immelmann getestet. Auch sie waren von seinen Fähigkeiten begeistert. Das Flugzeug, nachfolgend als Fokker E mit den Modellnummern I. - IV. bezeichnet, war das erste in Serie gebaute Jagdflugzeug. Es sicherte den deutschen Fliegern bis weit im Kriegsjahr 1916 die Vormachtstellung am Himmel über der Westfront.
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Roland Garros wurde noch im Februar 1918 als kriegsgefangener Offizier nach Deutschland verbracht und an verschiedenen Orten interniert. Erst am 14. Februar 1818 gelang ihm die Flucht aus seinem damaligen Gefängnis, dem Kavalier I "Scharnhorst" der Festung Magdeburg, einst die stärkste Festung im Deutschen Reich. Die Legende besagt, dass Garros und ein Mithäftling, der Pilot Anselme Marchal, nach Bestechung der Wachen und in nachgeahmten deutschen Uniformen entkommen konnten. Zuvor soll Garros von Unterstützern aus Frankreich einen Satz Tennisschläger erhalten haben, in deren Griff eine topografische Karte des Deutschen Reichs versteckt gewesen sei. Auch diese Schilderung ist nicht belegt und eher als konstruiertes Bindeglied zu seiner späteren Rolle im Tennissport zu sehen.
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Über die Niederlande und London schlugen sich die beiden Soldaten letztlich wieder nach Frankreich durch. Dort wurden sie wie Helden gefeiert. Beide wurden zu Officiers de la Légion d’Honneur ernannt und Garros zudem zum Oberleutnant befördert. Eine Stelle an der französischen Militärakademie lehnte er ab. Garros drängte darauf, so schnell wie möglich wieder als Kampfpilot eingesetzt zu werden. Dabei verschwieg er ein fortgeschrittenes Augenleiden, das ihn während des Einsatzes zum heimlichen Tragen einer Brille zwang.
Im August 1918 wurde Roland Garros der damals zur 4. französischen Armee gehörenden Escadrille 26 zugeteilt. Nach einigen Flugstunden trat er wieder in den aktiven Dienst. Mit einem Doppeldecker vom Typ SPAD XIII gelang ihm am 2. Oktober 1918 ein weiterer bestätigter Abschuss.
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Garros wird vielfach als das erste "Fliegerass" der Welt bezeichnet. Tatsächlich brachte er es jedoch nur auf vier bestätigte Luftsiege. Voraussetzung für die Zuerkennung des Titels „Ass“ waren fünf oder mehr Siege. Die Ehre, das erste "Fliegerass" zu werden, ging an einen anderen französischen Piloten. Es handelte sich um Adolphe Pégoud, der mit sechs Abschüssen als erster die Voraussetzungen erfüllte.
Am 5. Oktober 1918, in der Anfangsphase der alliierten Maas-Argonnen-Offensive, wurde ein Bombenangriff auf den deutschen Nachschub-Bahnhof Saint-Morel an der strategisch wichtigen Bahnstrecke Amagne-Lucquy–Revigny geflogen. Im Luftkampf wurde Roland Garros abgeschossen. Sein Flugzeug stürzte nördlich des Ortes auf ein Feld. Garros verlor sein Leben. Sein Bezwinger soll der deutsche Jagdflieger Hermann Habich, Jasta 49, mit einer Albatros D.III gewesen sein. Pilot und Flugzeug wurden nach Vouziers gebracht. Garros wurde in einem dortigen Lazarett von seinem engen Freund Edmond Audemars identifiziert und anschließend auf dem Zivilfriedhof von Vouziers beigesetzt. Sein Flugzeug wurde im November 1918 nach der Wiedereinnahme von Vouziers durch die Franzosen hinter der Kirche am Ufer der Aisne gefunden.
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Heute denken die allerwenigsten Menschen bei der Nennung des Namens Roland Garros an die bewegte Geschichte dieses jungen französischen Piloten oder an die Stadt Vouziers. Im Jahr 1928, 10 Jahre nach seinem Tod, wurde der am südlichen Rand des Bois de Boulogne bei Paris errichtete Tenniskomplex nach ihm benannt. Seitdem finden die internationalen französischen Tennismeisterschaften (French Open) im "Stade Roland Garros" statt.