Gottlieb Graf von Haeseler und der Ort Cornay -
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Das kleine Dorf Cornay liegt im Tal des Flüsschens Aire am nördlichen Ausläufer des Argonnen-Hauptkammes. Etwa 13 Kilometer südlich befanden sich die bekannten Weltkriegs-Schlachtfelder des Argonnerwaldes, so vor Allem die Höhe 285 (la Haut Chévauchée), la Fille Morte oder auch der Hügel von Vauquois (la Butte de Vauquois). Die Geschichte Cornays führt zurück in die Antike. Bis zum 11. Jahrhundert lassen sich lateinische Ortsbezeichnungen wie Quarusium, Quaruaeum, Carnaium, Cornacum, später dann auch der altfranzösische Name Quarnay nachweisen. Die frühmittelalterliche Siedlung wird in zeitgenössischen Abhandlungen als "castrum" oder "oppidum" beschrieben, was so viel bedeutet wie "Burg" oder "kleine befestigte Stadt".
Reste einer frühmittelalterlichen Wehranlage finden sich vielfach in der Umgebung des heutigen Ortsgebietes von Cornay, so vor Allem auf der westlich gelegenen Anhöhe mit Namen "Champs Crochet" und dem Bereich um den heutigen Aussichtspunkt "Croix du Bayle". Quellen aus dem 18ten und 19ten Jahrhundert berichten von vier vorgeschobenen und in den Felsen gegrabenen Befestigungen, Mauern, unterirdischen Gängen sowie einer starken Umwallung.
Die eigentliche Burg, das "Vielle Château", wie der antike Vorläufer des Schlosses genannt wurde, befand sich im Bereich des heutigen Friedhofs. Sie soll vier imposante Rundtürme besessen haben und von tiefen Gräben sowie Mauern mit einer Länge von 1/4 Lieu umgeben gewesen sein. Das entspricht nach heutigen Maßen etwa einem Kilometer. Siedlungsreste fanden sich bis in den Bereich der Gemarkung l´Ermitage nordwestlich der Ortschaft. Im Ort selbst fanden sich in Kellern und bei Erdarbeiten immer wieder unterirdische Kavernen und Zugänge zu größeren Stollenanlagen, nahe der heutigen Kirche zudem die Reste eines mittelalterlichen Brunnens.
Cornay stand ab dem 12ten Jahrhundert in einem Lehnsverhältnis zur Vogtei von Saint-Menehould und unterlag damit, wie fast alle Vogteien im Bereich der Champagne, dem (Gewohnheits-)Recht der ältesten Champagne-Vogtei, nämlich derjenigen von Vitry-en-Perthois. Im Jahr 1145 erhielt Cornay ein selbständiges Priorat durch entsprechende Bulle des Papstes Eugen III. 1508 verlieh der französische König Ludwig XII. der Gemeinde den Status einer Baronie und dem Sire Henry de Pouilly, Urahn der heutigen Bewohner des Schlosses, den Titel eines Freiherren. |
Das heutige Schloss geht auf einen Neubau ab Beginn des 17ten Jahrhunderts zurück, der keinen militärischen Zwecken mehr diente. Einzelne Komponenten des Vorläufer-Bauwerks sollen Verwendung gefunden haben, so diverse Tierköpfe und Wasserspeier, die an der Fassade zu finden sind. Bilder der ursprünglichen Anlage sind nicht überliefert. Über einem Türsturz befindet sich ein Stein, auf dem ein viereckiges Gebäude, ein Reitertor nebst Fallgitter sowie zwei starke Zwiebeltürme zu sehen sind. Man kann davon ausgehen, dass es sich um die ursprüngliche, im Stil des Frühbarock gestaltete Anlage handelt, zumal der Stein die Jahreszahl 1608 trägt.
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Im 18ten und 19ten Jahrhundert kam es zu grundlegenden Erweiterungen. Es entstand ein vom Renaissance-Stil geprägtes Gebäudeensemble, dominiert von einem dreigeschossigen Haupthaus nebst eines schiefer-gedeckten, spitzen Satteldachs sowie diversen Anbauten, Nebengebäuden und Türmen. Als Baustoff wurde vorherrschend das den Argonnenuntergrund bildende Sedimentgestein aus einem nahen Steinbruch verwendet, die so genannte Gaize.
Der Erste Weltkrieg erreichte Cornay am Abend eines ereignisreichen Tages, nämlich am 02. September 1914. Truppen der 11. preußischen Infanterie-Division besetzten den Ort kampflos bei der Verfolgung der sich hastig zurückziehenden französischen Einheiten der 3. Armee des Generals Sarrail. In einem nur 15 Kilometer schmalen Streifen zwischen den Argonnen und dem Bereich der Festung Verdun musste die Masse der 5. preußischen Armee nach Süden marschieren. Cornay wurde, wie auch die anderen umliegenden Ortschaften, Hinterland.
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Prägend für die Entwicklung der Kämpfe im Argonnerwald bis Ende des Jahres 1916 und auch für die Geschehnisse in der Ortschaft Cornay sollte das als "Argonnen-Korps" bezeichnete XVI. Armeekorps werden. Bis Dezember 1916 standen seine Divisionen durchgehend an der Argonnenfront. Das Korps war im April 1890 aufgestellt worden und hatte sein Generalkommando im Bereich der Festung Metz. Erster Kommandierender General wurde ein nicht nur vom äußeren Erscheinungsbild ungewöhnlicher Offizier, der bereits in den Kriegen der Jahre 1864 (Deutsch-Dänischer Krieg), 1866 (Deutsch-Österreichischer Krieg) und 1870/71 (Deutsch-Französischer Krieg) im Stab des Prinzen Friedrich Karl Nikolaus von Preußen und beim III. Armee-Korps tätig war: Gottlieb Ferdinand Albert Alexis Graf von Haeseler.
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Von Haeseler wurde am 19.01.1836 in Potsdam geboren. Er trat 1853 als Sekondeleutnant in das preußische Zieten-Husaren-Regiment ein und wurde 1860 Adjutant des Prinzen Friedrich Karl Nikolaus von Preußen. 1868 wurde er zum Major befördert und 1. Generalstabsoffizier im III. Preußischen Armeekorps. In dieser Funktion nahm von Haeseler am Deutsch-Französischen Krieg teil und war maßgeblich für die Einschließung der damals noch französischen Festung Metz in der zweiten Hälfte des Jahres 1870 verantwortlich.
Körperlich groß gewachsen, ansonsten eher schmächtig, besaß er eine ungewöhnliche Zähigkeit und eine für seine Untergebenen meist lästige Ausdauer. Von Haeseler lehnte jeden militärischen Formalismus ab, so vor Allem das damals beliebte Exerzieren in Großformation. Er legte keinen Wert auf das korrekte Tragen der Uniform oder eine soldatisch angemessene Haartracht. Er blieb sein Leben lang Junggeselle und mied repräsentative oder gesellschaftliche Veranstaltungen. Von Haeseler war davon überzeugt, dass auch im Frieden an Offiziere, Mannschaften und die Ausrüstung kriegsmäßige Anforderungen gestellt werden müssten. Nicht einmal vor ernsten Verletzungen oder hohen Sachschäden scheute er bei den häufigen Manövern zurück, Mit dieser Einstellung hatte er im Preußischen Offizierskorps nicht nur Unterstützer. Er förderte den 1911 gegründeten und stark militärisch geprägten Deutschen Pfadfinderbund, da er der Meinung war, dass für die männliche Jugend zwischen Schuleintritt und Militärdienst zu viel unnütze Zeit liege.
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Im Gegensatz zu den asketischen Ansprüchen, die er an seine Truppe stellte, hatte von Haeseler eine menschliche Schwäche: ein gewisses Maß an Eitelkeit und daraus folgend die Liebe zur gerade aufkommenden Fotografie. Er ließ sich gerne und häufig in den verschiedensten Posen und Situationen ablichten, so dass heute eine große Anzahl Bilder von ihm existiert.
Nach der Übernahme des Kommandos über das XVI. Armeekorps verließ von Haeseler sein Gut in Harnekop und siedelte in die kleine Ortschaft Plappeville (damals Papolsheim) westlich von Metz über. Dort erwarb er eine Stadtvilla an der heutigen Rue du Général Charles de Gaulle. Da er von seinem Haus die Silhouette der Stadt Metz sehen wollte, ließ er kurzerhand einen Turm anbauen, auf dem er des Abends gerne saß. |
Im Jahr 1903 schied von Haeseler nach Erreichen der Altersgrenze im Rang eines Generalleutnants aus dem aktiven Dienst. Er wurde Mitglied des Preußischen Herrenhauses, das im heutigen Bundesratsgebäude an der Leipziger Straße in Berlin tagte. 1905 wurde von Haeseler zum Generalfeldmarschall befördert.
Das XVI. Armeekorps entwickelte sich unter Gottlieb Graf von Haeseler zu einer Vorzeigetruppe. Die Franzosen nannten ihn anerkennend "le diable de Metz", den Teufel aus Metz. Gleichwohl fiel die Einheit wie auch sein Kommandeur im Gefüge des strengen preußischen Militär-Regulariums der Jahrhundertwende in vielerlei Hinsicht aus dem Rahmen. Das XVI. Armeekorps hatte keine "feinen" Regimenter, wie es damals hieß. Es wimmelte von bürgerlichen und vielfach strafversetzten Offizieren, die von Haeseler teils gezielt auswählte. Die Einheiten machten sich mehr wegen ihrer für unmöglich gehaltenen Leistungen im Gefechtsdienst sowie ihrer häufig ramponierten Uniformen einen Namen als durch perfekte Parademärsche. Politische oder rassistische Animositäten ließ von Haeseler nicht gelten. Die zur damaligen Zeit in Gesellschaft und Militär vorhandenen Ressentiments gegenüber Juden und der Sozialdemokratie spielten bei der Auswahl seiner Offiziere und Mannschaften keine Rolle. Von Haeseler gehörte noch zu demjenigen Typus preußischer Offiziere, denen die Sache alles und der Schein nichts bedeutete.
Als die deutsche Generalmobilmachung am 01. August 1914 angeordnet wurde, war Gottlieb Graf von Haeseler 78 Jahre alt. Er sollte, obwohl er sich guter geistiger und körperlicher Gesundheit erfreute, kein Kommando im deutschen Heer mehr erhalten. Da er diese Entscheidung nicht akzeptierte, wandte er sich persönlich an Kaiser Wilhelm II. und bat um seine Verwendung. Das Gesuch wurde ohne die erbetene persönliche Vorsprache abgelehnt, dies wohl auch, weil das Verhältnis zwischen von Haeseler und dem Kaiser auf Grund langjähriger, grundlegender Meinungsverschiedenheiten nie ein gutes war. Nachdem der damalige Kommandierende General des XVI. Armeekorps, Bruno von Mudra, von dem Wunsch seines Vorgängers und dessen Nichtberücksichtigung erfuhr, bot er ihm an, als Gast die Operationen seines ehemaligen Korps an der Front zu verfolgen. Von Haeseler ging auf diesen Vorschlag ein.
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Am 19. August 1914, kurz vor Beginn der Schlacht bei Longwy-Longuyon und der anschließenden Erkämpfung der Maas-Übergänge bei Liny-devant-Dun durch das XVI. Armeekorps, erschien Generalfeldmarschall Graf von Haeseler im Korps-Hauptquartier, das sich zu dieser Zeit in der nordwestlich von Metz gelegenen Stadt Florange befand. Von nun an begleitete er das Korps bei dem weiteren Vormarsch. Die Anwesenheit des Generalfeldmarschalls wirkte motivierend auf die Truppe. Die Soldaten nannten den greisen, knorrigen Offizier liebevoll ihren "alten Gottlieb".
Im Zuge der Verfolgungskämpfe in der ersten Hälfte des Monats September 1914, die mit der Schlacht an der Marne endeten, wurde das Korps-Hauptquartier bis in die Ortschaft Varennes-en-Argonne vorgezogen. Von Haeseler ritt häufig allein oder in Begleitung seiner Adjutanten an die Front und inspizierte die Truppe. Auch nach dem deutschen Rückzug als Folge der Marne-Schlacht setzte er dies fort. Dabei hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, zu Pferd und damit für Freund und Feind gut sichtbar, bis zu den vordersten Stellungen zu reiten. Das führte regelmäßig zu starkem Infanterie- und Artilleriebeschuss, sobald die Franzosen "le diable de Metz" erspäht hatten. Es dauerte nicht lange, bis bei der Fronttruppe Unmut aufkam. General von Mudra musste eingreifen und untersagte weitere Ausritte bis ganz nach vorn. Von Haeseler wich einige Zeit beleidigt in den Bereich des benachbarten Armeekorps aus, bis sich die dortigen Frontoffiziere ebenfalls wegen der unnötigen Gefährdung beschwerten.
Nach dem Rückzug und der Konsolidierung der neuen Stellungen im nördlichen Argonnen-Bereich zog das XVI. Armeekorps sein Hauptquartier gegen Ende des Monats September 1914 in das nördlich gelegene Dorf Apremont zurück. Generalfeldmarschall Gottlieb Graf von Haeseler bezog ein kleines Haus an der Hauptstraße, das heute nicht mehr existiert.
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Da Apremont in den Wirkungsbereich der sich stetig verstärkenden französischen Artillerie geriet und zunehmend beschossen wurde, verlegte man das Hauptquartier bereits Anfang Oktober 1914 erneut und zwar nunmehr deutlich weiter nach Norden in das Schloss der Familie de Pouilly in Cornay. Auch hier kam von Haeseler angemessen unter und bewohnte direkt unterhalb des Schlosses das "Ancien Presbytère", wie die Einheimischen das ehemalige Pfarrhaus in der Rue du Prieuré auch heute noch nennen.
Der frühe Wintereinbruch und die damit einhergehende Schlechtwetterperiode mit verschlammten Straßen beendete die Ausflüge des Generalfeldmarschalls an die Front. Er konzentrierte sich nunmehr auf Besuche der umliegenden Soldatenfriedhöfe und der Verwundeten in dem vom XVI. Armeekorps eingerichteten Feld-Lazarett Nr. I in dem nördlich Cornay gelegenen Ort Marcq.
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Die Weihnachtszeit und auch den Jahreswechsel 1914/1915 verbrachte von Haeseler zumeist allein in seinem Haus. Der kalte, feuchte Winter machte ihm gesundheitlich zu schaffen. Zu seinem 79. Geburtstag am 19. Januar 1915 überraschten ihn seine Offizierskameraden, indem sie ihm zu Ehren ein Fest ausrichteten. Sein Pfarrhaus wurde aufwändig mit Tannengrün geschmückt. Über der Tür prangte eine große "79" für den Jubilar.
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Viele bekannte Offiziere nahmen an der Feier teil, wie ein im Hof des Schlosses aufgenommenes Foto zeigt: Links neben von Haeseler steht mit Pelzkragen Generalleutnant Robert Loeb, Kommandeur der 13. Landwehrbrigade, rechts hinter ihm Generalleutnant Walter von Heinemann, Kommandeur der 34. Division, mittig steht General Bruno von Mudra, schräg rechts hinter diesem Oberst Rudolf von Borries, zu dieser Zeit Chef des Generalstabes im XVI. Armeekorps.
Im Laufe des Jahres 1915 verfolgte von Haeseler das weitere Kriegsgeschehen im Argonnerwald, vor Allem die schweren Kämpfe ab Juni 1915, bei denen die deutschen Truppen die strategisch wichtigen Abschnitte "Höhe 285" und "la Fille Morte" einnehmen konnten.
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Regelmäßig begab sich der Deutsche Kronprinz Wilhelm aus seinem Hauptquartier in Stenay auf Truppenbesuch nach Cornay. Es existieren diverse Fotografien, die sowohl den Kronprinzen als auch von Haeseler mit französischen Gefangenen oder anderweitig in der Ortschaft abbilden.
Anfang 1916, kurz vor seinem 80. Geburtstag, kam es bei von Haeseler zu Herz-/Kreislaufproblemen. Nach einem Sturz begab er sich zur Genesung auf sein Gut in Harnekop. Einige Wochen später kehrte er zwar nochmals nach Cornay zurück, stürzte jedoch im Frühsommer 1916 erneut und brach sich beide Handgelenke. Damit war für den betagten Ofizier die Zeit als Frontbeobachter vorbei. Er überlebte das Kriegsende auf seinem Gut in Harnekop und starb dort am 25. Oktober 1919.
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Der Krieg im Argonnerwald ging weiter. Das XVI. Armeekorps sollte noch bis Dezember 1916 als "Argonnen-Korps" die Hauptlast dieser Kämpfe tragen. Sodann wurde es aus den Argonnen abgezogen und in die Schlacht bei Verdun geworfen, in der es sehr schwere Verluste erlitt. Zwischenzeitlich hatte es mit seinem Hauptquartier wegen zunehmender Bedrohung durch französische Artillerie in das bei der Ortschaft Buzancy liegende Schloss der Familie Chanzy verlegen müssen. Alfred Chanzy (*18.03.1823, +05.01.1883) war ein französischer General. Mit dem französischen XVI. Armeekorps kämpfte er im Deutsch-Französischen Krieg 1871 unter Anderem auch gegen die Truppen des Preußenprinzen Friedrich Karl, in dessen Stab von Haeseler zu dieser Zeit als Offizier eingesetzt war.
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Zwar kehrte das preußische XVI. Armeekorps im Februar 1917 wieder in den Bereich der Argonnen zurück, wurde dort jedoch in anderer Zusammensetzung und unter neuem Kommando verwendet. Es gehörte mit der gesamten "Gruppe Argonnen" jetzt nicht mehr zur 5. Armee, die inzwischen durch General Max von Gallwitz kommandiert wurde, sondern zur 3. Armee unter General Karl von Einem. Beide Armeen waren im Rahmen einer grundlegenden Umstrukturierung der Westfront der neu gebildeten Heeresgruppe Deutscher Kronprinz unterstellt worden, deren Befehlshaber Kronprinz Wilhelm von Preußen war. Die Argonnen lagen nunmehr im Befehlsbereich der 3. Armee. Deren Hauptquartier befand sich in dem ansehnlichen Schloss "Maison Rouge" nahe der Ortschaft les Alleux in den Ardennen.
Die Argonnenfront war zur Ruhefront geworden und diente Franzosen wie Deutschen zur Auffrischung abgekämpfter Einheiten aus den Großschlachten in der Champagne, am Chemin des Dames und anderenorts. Unterschiedlichste Verbände haben nach dem XVI. Armeekorps die Argonnen verteidigt, so zum Beispiel die 9. Landwehr-Division, die 50. Infanterie-Division, die 2. Garde-Division und die 2. Königlich-Bayerische Infanterie-Division. Alle diese Einheiten unterhielten ihre Haupt- und Stabsquartiere, Offiziers- und Truppenunterkünfte im rückwärtigen Bereich, dabei auch regelmäßig in Cornay und dem dortigen Schloss. In den meisten hinter der Front gelegenen Ortschaften wurden zur Versorgung der im Stellungskrieg eingesetzten Truppen logistische Einrichtungen geschaffen. In und um Cornay waren das vor Allem Fabriken zur Herstellung von Holzwolle (Ho.W.), Eis und Selterswasser (E.u.S.) sowie Werkstätten zur Reparatur von Waffen und Ausrüstungsgegenständen (R.). Ebenfalls befand sich in Cornay ein Elektrizitätswerk sowie eine stark frequentierte Entlausungs- und Badeanstalt (gelbe Symbole).
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Mit dem 3. September 1917 wurde die Verantwortung für den zentralen Argonnen-Abschnitt einer neuen Einheit übertragen, die sie sodann bis zum Ende der dortigen Kämpfe nicht mehr abgeben sollte. Es handelte sich um die 2. (württ.) Landwehr-Division. Unter dem Kommando ihres Führers, des preußischen Generals der Artillerie Adolf Franke, wurde durch die Württemberger der bis dato vernachlässigte Stellungsbau wieder aufgenommen und das Stellungssystem modernen Standards angepasst. Bis Anfang 1918 wurde neben einzelnen Unternehmungen auch der Minenkrieg nochmals intensiviert, sodann jedoch ab Februar 1918 komplett eingestellt. Durch den Ausbau rückwärtiger Stellungen, der Schaffung eines schwach besetzten Vorfeldes und einer starken Hauptverteidigungslinie etwa drei Kilometer hinter den vorderen Gräben wurde die Abwehr elastischer und tiefer gegliedert.
Cornay wurde zum Quartier des 122. Landwehr-Infanterie-Regiments. Von den etwa 300 Einwohnern bei Kriegsbeginn hatte ein Großteil den Ort verlassen. Die Landwehr-Männer richteten sich in den überwiegend noch intakten Häusern ein. Zu den wenigen zurückgebliebenen Bewohnern war das Verhältnis gut. Mädchen und Frauen wuschen gegen Entlohnung die Wäsche der Soldaten und halfen auch bei sonstigen Haushaltstätigkeiten. Ende Januar 1918 nahm der französische Artilleriebeschuss jedoch deutlich zu. In Erwartung stärkerer Kämpfe wurden alle noch verbliebenen Einwohner in rückwärtige Ortschaften abgeschoben.
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Die Zeit des Einsatzes der 2. (württ.) Landwehr-Division sollte sich in Cornay weniger im Hinblick auf seine Funktion als Etappenort auswirken, sondern auf tragische Weise durch schwere Kämpfe während der amerikanischen Maas-Argonnen-Offensive in der letzten Phase des Ersten Weltkrieges. Zuvor war Cornay von Kriegseinwirkungen weitestgehend verschont geblieben. Anfang Oktober 1918 wurde der Ort und sein Umfeld jedoch zu dem letzten und schwer umkämpften Angelpunkt der deutschen Verteidigung in den Argonnen gegen die an Mensch und Material vielfach überlegenen amerikanischen Truppen. Bei den Kämpfen, die Gegenstand eines separaten Artikels sind, wurde Cornay nahezu vollständig zerstört.
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Cornay ist heute eine gepflegte kleine Commune mit etwa 65 Einwohnern. An mehreren Stellen erinnern Denkmäler und auch Informationstafeln an die Ereignisse während des Ersten Weltkriegs. So auch auf dem Hügel des Croix du Bayle, von wo man eine gute Sicht auf das Ortsgebiet sowie auch das Aire-Tal mit seinen markanten Punkten wie bspw. die Hügel des Montrebau und Montrefagne genießen kann. Dort fanden im Herbst 1918 schwere Kämpfe während der amerikanischen Maas-Argonnen-Offensive statt. Im Ort selbst wurden an verschiedenen Stellen Tafeln mit Bildern des Ortes aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und der deutschen Besetzung angebracht, die jeweils eine interessante Betrachtung "vorher/nachher" ermöglichen. Wer die Gegend der nördlichen Argonnen und besonders die dortigen Schlachtfelder des Jahres 1918 erkunden möchte, sollte Cornay in seine Planungen einbeziehen.