Wälder von Herméville, Autrey und Braquis |
Südlich Etain liegt ein ausgedehntes Waldgebiet, das sich von St. Maurice im Nordosten bis Manheulles im Südwesten zieht. Im nordöstlichen Ausläufer liegen die Wälder von Herméville, Autrey und Braquis.
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Es finden sich Reste von deutschen Lagern, so des Wollersdorf-Lagers und des Waldlagers Autrey, Auch viele Artilleriestellungen lassen sich zuordnen. Durch das Waldgebiet verliefen mehrere Feldbahn-Trassen mit diversen Haltepunkten zum Ent- und Beladen. So finden sich beispielsweise Reste des Bahnhofs Ballonwiese unmittelbar nördlich der D 908 zwischen Braquis und St. Maurice und des Bahnhofs Franzosenlager an der D 108 zwischen Braquis und Herméville-en-Woevre.
Ferner findet sich in Nord-Süd-Richtung in den Wäldern von Autrey und Braquis eine Kette von Beton-Bunkern des Typs ab 1917, bei denen es sich überwiegend um Infanterie-Schutzräume handelt. Der Stellungsbereich wurde Hagen-Riegel genannt. Zudem liegen im westlichen Bereich des Bois d´Herméville an einigen Stellen Reste der feindlichen Grabensysteme aus dem Jahr 1915 und einige deutsche sowie französische Beton-Bauten, die bereits in den Jahren 1914 und 1915 errichtet wurden. |
Exkurs: Baroncourt-Geschütz und Info-Pfad
Auf Initiative der Gemeinde Herméville wurde östlich der nach Braquis führenden D 108 ein Info-Pfad entlang diverser Relikte aus dem Ersten Weltkrieg geschaffen. Seit 2012 sind die Verantwortlichen mit dem Projekt befasst. Zu ihnen gehören vor Allem die Bürgermeister von Herméville-en-Woevre und Gincrey, Bernard Robert und Jean-Louis Périquet, sowie Cyril Cary, ein Zivilangestellter der französischen Streitkräfte in Verdun und passionierter Historiker. Die offizielle Einweihung der Anlage fand am 05. September 2015 statt. Hauptattraktion ist die Stellung eines französischen 14-cm Marinegeschützes, das die Deutschen Baroncourt-Geschütz nannten.
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Im April 1915 wurde durch die Franzosen im Westteil des Bois d´Herméville eine komplexe und in den Erdboden versenkte Geschütz-Stellung geschaffen, bestehend aus einer betonierten Bettung sowie ebenfalls betonierter Unterstände für die Aufnahme von Munition und der Geschützbedienung. In der Bettung wurde auf einem metallenen Schießgerüst eine Marinekanone installiert. Es handelte sich um ein Geschützrohr des Typs L/55 Modell 1910 (Canon de 138 mm/55 Modèle 1910), das unter Anderem auf französischen Linienschiffen der Courbet- und Bretagne-Klasse als Zweit-/Mittelbewaffnung diente. Die Schiffe der Courbet-Klasse besaßen insgesamt 22 dieser Geschütze, sie waren in jeweils 11 Geschütztürmen zu beiden Schiffsseiten verbaut.
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Im September 1914 wurden dem Kommandanten der Festung Verdun Marinegeschütze unterschiedlichen Kalibers (14 cm - 24 cm) zugewiesen. Bis Mitte Oktober 1914 erreichten die vorgesehenen Bedienmannschaften aus der Festung Brest unter dem Kommando von Lieutenant de Vaisseau (Hauptmann) Héritier sowie Capitaine de Frégate (Oberstleutnant) Grandclément Verdun. Zunächst wurden die Geschütze im unmittelbaren Umfeld der Festung sowie des Fortsgürtels in vorbereiteten Stellungen eingebaut. Nachdem Verdun im August 1915 seine selbständige Kommandostruktur verloren hatte und als "Région Fortifiée de Verdun" (RFV) der 2. französischen Armee unterstellt worden war, änderten sich auch wegen des Erstarrens der Fronten zum Stellungskrieg die Anforderungen an die Artillerie. Ziele wurden hauptsächlich zentrale Verkehrsknotenpunkte, Bahnlinien und größere Bahnhöfe. Diese lagen jedoch vielfach außerhalb der Reichweite der Platzartillerie, so dass sie zum Ziel für die weiter reichende Marineartillerie bestimmt wurden. Die Geschütze wurden nach und nach immer näher an die vorderen Linien verlegt, um tiefer in das deutsche Hinterland wirken zu können.
Anfang April 1915 starteten die Franzosen im Bereich des Frontbogens von St. Mihiel ihren als Frühjahrsschlacht zwischen Maas und Mosel bekannt gewordenen Großangriff. Um die für die Versorgung der deutschen Truppen wesentlichen Bahnhöfe von Conflans-Jarny sowie Dommary-Baroncourt beschießen zu können, wurde ein 16 cm Geschütz im Bois d´Hennemont sowie ein weiteres 14 cm Geschütz im Bois d´Herméville platziert, dies jeweils nur ca. 1.000 Meter hinter den vordersten Kampflinien. Das Geschütz im Bois d´Herméville stand unter dem Kommando des Enseigne de Vaisseau de 1ère Classe de Réserve (Leutnant der Reserve) Courteville. Schon zu Beginn der Kämpfe gelang es der Bedienmannschaft, den Kirchturm von Rouvres-en-Woevre zu zerstören, der den Deutschen als weitreichender Beobachter gedient hatte.
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Wie vorgesehen, wurde in den folgenden Monaten der Bahnhof von Dommary-Baroncourt intensiv beschossen. Er war einer der Haupt-Versorgungsbahnhöfe für die im Frontbogen von St. Mihiel stehenden Einheiten der Armee-Abteilung von Strantz sowie auch für den südlichen Frontbereich vor Verdun. Zwar gelang es den Franzosen nicht, den Bahnverkehr wesentlich zu stören oder nennenswerte Treffer anzubringen. Gleichwohl sorgte das Geschütz in den umliegenden Ortsunterkünften und Lagerbereichen für ständige Unruhe. Es erhielt bei den Deutschen den Namen Baroncourt-Geschütz oder, nach einem Schreibfehler, vielfach auch Barancourt-Geschütz.
Am 21. Februar 1916 begannen die Deutschen den Angriff auf den nördlichen Festungsgürtel um Verdun. In der Anfangsphase waren die Marinegeschütze an den Abwehrbemühungen der Franzosen beteiligt. Nahezu alle Geschütze im vorderen Frontbereich wurden durch die deutschen Angreifer in den folgenden Tagen erobert. Teilweise blieben sie einsatzfähig, überwiegend wurden sie jedoch durch die Franzosen unbrauchbar gemacht.
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Nachdem die Deutschen sich anschickten, auch im Bereich der Woevre-Ebene anzugreifen, wurde am 24. Februar 1916 durch den Kommandeur des französischen 30. Corps d´Armée, Géneral Paul Chrétien, der Befehl zur Räumung der vorgelagerten Bereiche erteilt. Die Batterien erhielten den Befehl, bis zum nächsten Morgen sämtliche Munition zu verschießen und die Geschütze in eigener Verantwortung unbrauchbar zu machen. Innerhalb einer guten Stunde verschoss das Geschütz im Bois d´Herméville nochmals 80 Granaten auf den Bereich Dommary-Baroncourt. Sodann entschloss sich Leutnant Courteville zur Sprengung. Da die für diesen Zweck vorgesehenen Sprengkapseln (Petarden) versagten, wurde unter Hinzunahme einer Granathülse der hintere Rohrbereich gesprengt. Die Explosion war so stark, dass nicht nur das Geschütz zerstört wurde, sondern auch die Bettung zusammenbrach und Leutnant Courteville dabei fast den Tod fand. Die Bedienmannschaft marschierte über Braquis ab. Das Geschütz wurde um den 26. Februar 1916 kampflos durch Einheiten der Kgl. Bayer. Ersatz-Division, hier des 4. K.B. Reserve-Infanterie-Regiments, eingenommen, wobei die Einzelheiten bislang nicht abschließend geklärt werden konnten.
Der Info-Pfad um das Geschütz beginnt an einem Parkplatz unmittelbar westlich der D 108. Er führt über die Reste einer Feldbahn-Trasse zu der freigelegten Geschützbettung, in der ein baugleiches Geschützrohr des Typs L/55 Modell 1910 (Canon de 138 mm/55 Modèle 1910) offen eingebaut ist. Dieses war im Jahr 1916 bei Saint Julien nordöstlich Ypern im Einsatz. Es stammt, wie auch die beiden anderen Geschützrohre in Gincrey (24 cm) und an der Langer-Max-Stellung bei Duzey (30,5 cm), von der Base Nautique Militaire de Gâvres (Morbihan). Die Rohre sollten ursprünglich verschrottet werden. Sie wurden auf Vermittlung von Cyril Cary den Kommunen Gincrey, Duzey und Herméville-en-Woevre zur Verfügung gestellt.
Der Rundweg verläuft weiter entlang den Resten deutscher und französischer Artillerie-Stellungen nebst diverser Betonbauten. Außerdem findet sich ein französischer Beobachtungs-Baum, der sowohl seine kriegerische Nutzung als auch die folgenden 100 Jahre überlebt hat. In seinem Stamm führen heute noch die eingeschlagenen Metallkrampen empor. Der Rundweg führt weiter entlang ehemaliger deutscher Feldbahn-Trassen, die mit ihrer Schotterung im Erdreich noch gut auszumachen sind. Den Abschluss des Rundweges bildet ein deutscher Bunker des Baujahres 1917, der Teil der im Herméville-Wald verlaufenden Hagen-Stellung war. Es handelt es sich um eine auf Grund der Authentizität der Besichtigungspunkte militärhistorisch sehr wertvolle Anlage mit Ausnahmecharakter in dieser Region.