Kämpfe im zentralen südlichen Frontbogen von St. Mihiel 1914 - 1918 |
Wie an der gesamten Westfront wurden auch im Frontbogen von St. Mihiel die meisten frontnah gelegenen Ortschaften durch die Kämpfe während des Ersten Weltkrieges völlig zerstört. An der südlichen Flanke zwischen den Städten St. Mihiel und Pont-à-Mousson waren dies Dörfer wie Essey, Seicheprey, Flirey, Limey, Fey-en-Haye, Remenauville oder Regniéville. Die beiden Letztgenannten lagen während des knapp vier Jahre andauernden Stellungskrieges unmittelbar im Bereich der vorderen Linien und waren komplett vom Erdboden verschwunden. Sie wurden mit ihrer nach dem Krieg zurückkehrenden Bevölkerung in benachbarte Ortschaften eingemeindet. Die meisten Orte wurden jedoch in den 1920er Jahren wieder aufgebaut, so auch die Dörfer St. Baussant, Flirey und Seicheprey.
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Gesamtlage
Um die Entwicklung der Kämpfe an der zentralen südlichen Flanke des Frontbogens von St. Mihiel sowie die Topografie der dortigen Stellungssysteme zu verstehen, ist ein kurzer Blick auf die militärischen Gesamtentwicklungen im Monat September 1914 notwendig.
Nachdem der deutsche Schlieffen-Plan in der Schlacht an der Marne gescheitert war, übernahm am 14. September 1914 General Erich von Falkenhayn die operative Führung. Falkenhayn beabsichtigte, umgehend die militärische Inititative zurückzuerlangen. Zu diesem Zweck war geplant, erneut am nördlichen Heeresflügel mit verstärkten Einheiten der 2. Armee unter dem General Karl von Bülow aktiv zu werden. Um ein Übergewicht an Kräften für die geplante Offensive zu erlangen, sollte die zwischen Metz und Straßburg stehende 6. Armee unter dem Kommando des Bayerischen Kronprinzen Rupprecht an den nördlichen Heeresflügel verlegt werden.
Auf Befehl der Obersten Heeresleitung wurde am 15. September 1914 aus Teilen der 6. Armee eine Armee-Abteilung unter dem Kommando des Generals Ludwig von Falkenhausen gebildet. Die Armee-Abteilung Falkenhausen erhielt den Auftrag, an Stelle der 6. Armee die Reichsgebiete Elsass und Lothringen zu sichern und französische Kräfte an diesem Frontabschnitt zu binden. Ihr wurden aus dem bisherigen Verbund der 6. Armee das Ersatzkorps, das I. Bayerische Reserve-Korps und weitere Einheiten zugeteilt.
Nördlich sollte die am 10. September 1914 ebenfalls unter Verwendung von Teilen der 6. Armee gebildete Armee-Abteilung Strantz unter dem Kommando des Generals Hermann von Strantz mit dem V. Preußischen und III. Bayerischen Armeekorps aus dem Raum Metz in Richtung Westen aktiv werden. Ziel war es, die Côtes Lorraines zu nehmen und die drei Maas-Festungen Camp des Romains, des Paroches und de Troyon zu erobern. Sodann war geplant, aus dem gewonnenen Raum weiter in westliche Richtung auf Bar-le-Duc vorzudringen und gemeinsam mit den in den Argonnen stehenden Einheiten der 5. Armee die Festung Verdun einzuschließen.
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Entwicklung im September 1914
Am 16. September 1914 meldete General von Strantz der 5. Armee, dass er am Folgetag angreifen werde. Da die Artillerie jedoch nicht weit genug nachgezogen war, musste der Angriff verschoben werden. Die Aufklärung ergab, dass stärkere französische Verbände aus dem Raum der Festung Toul auf dem Weg nach Norden waren. Deshalb wurde angeordnet, dass das ursprünglich für den Abtransport mit der 6. Armee vorgesehene XIV. Armeekorps unter dem Kommando des Generals Theodor Freiherr von Watter einstweilen die Sicherung der linken Flanke des Operationsstreifens in Richtung Nancy und Toul übernehmen solle.
Am 19. September 1914 begann die Armee-Abteilung Strantz mit dem Angriff. Da die Franzosen die Masse Ihrer Truppen in den Bereich nördlich Verdun verschoben hatten, stießen die deutschen Einheiten in der südlichen Woëvre-Ebene auf keinen nennenswerten Widerstand. Bereits am 21. September 1914 waren die Maas-Höhen nördlich der Stadt St. Mihiel auf einer Breite von mehr als 20 Kilometern eingenommen. |
In dieser Phase des Angriffs blieben die Einheiten des XIV. Armeekorps entgegen den gegebenen Befehlen passiv. General von Watter erwartete den baldigen Abzug im Gefolge der 6. Armee und wollte jede Verwicklung seiner Truppen in Kämpfe vermeiden. Mehrfach musste durch den kommandierenden General von Strantz für das befehlsgemäße Vorrücken des XIV. Armeekorps gesorgt werden.
Mit der 29. Infanterie-Division an der westlichen Flanke erreichte das XIV. Armeekorps am 22. September 1914 eine Linie Seicheprey - Flirey - Lironville und richtete sich auf den dortigen Höhen um die Wälder von Bernécourt und la Hazelle zur Verteidigung ein. Auf Anordnung der Obersten Heeresleitung war seine Verlegung bis auf Weiteres abgesagt worden, um klare Verhältnisse zu schaffen.
Ab dem 23. September 1914 griffen die Franzosen die Stellungen des XIV. Armeekorps im Bereich Limey und Flirey von Süden her an. Obwohl sich das Korps nach Zuführung von Verstärkungen behaupten konnte, traf General von Watter am 24. September 1914 eine erneut defensive und folgenschwere Entscheidung. Von Watter ordnete an, die Stellungen von der beherrschenden Höhenlinie zwischen Seicheprey und Lironville etwa 2 Kilometer nach Norden zurückzunehmen und neue Stellungen am Südrand des Bois de Mort-Mare, Bois de la Sonnard sowie auf den angrenzenden Höhen anzulegen. Dieser Entschluss, der vor allem ohne Prüfung der geologischen Gegebenheiten gefasst wurde, sollte die Kämpfe an der südlichen Flanke des Frontbogens für die Deutschen bis Kriegsende sehr negativ beeinflussen.
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Durch die Zurücknahme der Stellungen verloren die deutschen Truppen die Kontrolle über die strategisch wichtige Straße zwischen Pont-à-Mousson und St. Mihiel, die heutige D 959. Für die Franzosen, die entschlossen nachrückten und den gesamten Höhenzug einschließlich der Ortschaften Lironville, Limey, Flirey und Seicheprey besetzten, ergaben sich Operationsmöglichkeiten bis unmittelbar hinter ihre vorderen Linien, die der deutschen Beobachtung komplett entzogen waren. Diese missliche Situation führte zu einer bis Kriegsende anhaltenden Bedrohung der gesamten südlichen Flanke des Frontbogens von St. Mihiel. Sie erklärt die im weiteren Verlauf des Krieges aufkommenden schweren Kämpfe in diesem Bereich sowie auch die massiv ausgebauten deutschen Stellungen, deren Reste heute noch zu finden sind.
Entwicklung bis in das Jahr 1915
Als die deutsche Offensive bei der 2. Armee des Generals von Bülow nach nur geringen Anfangserfolgen ins Stocken geriet und sich eine Wiederholung des Marne-Dramas in Form einer Umfassung durch französische und englische Verbände abzeichnete, wurden immer neue Truppenteile an den nördlichen Heeresflügel geworfen. Bereits am 26. September 1914 traf es die Armee-Abteilungen Strantz und Falkenhausen. Seitens der Obersten Heeresleitung wurde die sofortige Einstellung aller Offensivbemühungen befohlen. Neben anderen Verbänden wurde der bis dato hinausgezögerte Abtransport des XIV. Armeekorps angeordnet. Seine Aufgabe an der südlichen Flanke der Armee-Abteilung Strantz sollten drei Ersatz-Divisionen aus dem Verbund und unter dem Kommando der Armee-Abteilung Falkenhausen übernehmen, nämlich die Garde-Ersatz-Division sowie die 8. und 10. Ersatz-Division.
Ab dem 01. Oktober 1914 bezogen die Regimenter der Garde-Ersatz-Division die von dem XIV. Armeekorps bis dahin gehaltenen Stellungen nördlich des Dorfes Flirey im Bois de la Sonnard und Bois de Mort-Mare. Nach den eindrücklichen Schilderungen in den Truppengeschichten der beteiligten Regimenter konnte von einer verteidigungsfähigen Stellung keine Rede sein. Die Einheiten trafen flache, verschlammte Schützen- und Annäherungsräben an, die diesen Namen nicht verdienten.
In den folgenden Wochen lag der Schwerpunkt auf dem Stellungsbau. Das sehr hohe Grundwasser sowie starke Regenfälle machten einen üblichen Ausbau der Gräben unmöglich. Selbst zur Hilfe gerufene Pioniereinheiten vermochten kaum etwas auszurichten. Gerade erst fertiggestellte Stellungsabschnitte versanken nach nur kurzer Zeit wiederum im Schlamm, fielen zusammen oder liefen komplett voll Wasser. Annäherungsgräben waren nicht vorhanden oder kurz nach ihrer Fertigstellung wieder unbenutzbar.
Bei Ablösungen kam es regelmäßig zu Verlusten, da die Franzosen den gesamten Bereich einsehen und bei erkannten Truppenbewegungen sofort unter Feuer nehmen konnten. Die Soldaten waren nach nur kurzem Stellungsdienst über und über mit Schlamm bedeckt und völlig durchnässt. Es kam zu erheblichen krankheitsbedingten Ausfällen (Entzündungen, Fußbrand, Atemwegserkrankungen etc.), zumal anfänglich die Benutzung von Kohleöfen in den Gräben und Unterständen wegen der französischen Beobachtungsmöglichkeiten verboten war. |
Einzelnen Gräben und Stellungsabschnitten gaben die deutschen Soldaten in Anbetracht der erheblichen Probleme mit den Wassermassen Namen wie "Panama Kanal", "Port Arthur" oder "roter, gelber und brauner Nil". Die Schwierigkeiten der Truppe sind in dem verlinkten Auszug aus der Geschichte des 7. Garde-Infanterie-Regiments nachvollziehbar beschrieben.
Zu ersten nennenswerten Kämpfen kam es ab dem 21. Oktober 1914. Einheiten der 64. und 73. französischen Infanterie-Division traten an diesem Tag nach ausgiebiger Artillerievorbereitung zum Angriff auf die Stellungen der Garde-Ersatz-Division sowie der angrenzenden Einheiten an, wurden jedoch überall unter hohen Verlusten abgewiesen. Auch die Angreifer hatten mit den widrigen Bodenverhältnissen zu kämpfen und kamen auf den lehmigen, von Granaten durchwühlten Ackerflächen nur schwer voran. Sie gaben vorzügliche Ziele für die deutschen Verteidiger ab.
In der Folgezeit entwickelten sich weitere teils schwere Auseinandersetzungen in Form von regelmäßigen Artillerieüberfällen und größeren Unternehmungen. Diese konzentrierten sich nach und nach auf spezielle Frontabschnitte, so insbesondere einen zwischen Flirey und dem Bois de la Sonnard gelegenen Geländeeinschnitt, durch den die Eisenbahn-Linie von Toul Richtung Thiaucourt verlief. Diese Bahnlinie ist bekannt wegen der von den Franzosen gesprengten Stahl-Brücke bei Bouillonville, die vielfach als Fotomotiv diente.
In diesem Bahneinschnitt, dessen Sohle bis zu sieben Meter tief lag, trennte die feindlichen Einheiten lediglich eine von den deutschen Truppen angelegte Sandsack-Barrikade. Diese wurde regelmäßig unter Artilleriefeuer genommen und häufig zerstört. Anfang 1915 wurde sie mit einem Betonkern versehen. Die Garde-Einheiten bauten den Bereich ab Februar 1915 bergmännisch mit tiefen Stollen und Tunneln aus. In den folgenden Monaten wurde eine zweite Sandsack-Barrikade unmittelbar hinter der vorderen errichtet. Der Bahneinschnitt entwickelte sich zu einem bis Kriegsende sehr stark umkämpften Punkt.
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Das Kriegsjahr 1915 wurde ansonsten geprägt durch die französische Frühjahrsoffensive zwischen Maas und Mosel, auch Osteroffensive genannt. Zu Beginn des Monats April 1915 sollte die 1. französische Armee unter General Auguste Dubail den gesamten Frontbogen von St. Mihiel abkneifen. Zu diesem Zweck sollten französische Einheiten am nördlichen Ausläufer des Bogens die Combres-Höhe (les Éparges) und die angrenzenden deutschen Stellungen in der Woëvre-Ebene überrennen. An der südlichen Flanke konzentrierten sich die französischen Angriffsbemühungen auf den westlich Pont-à-Mousson liegenden Bois le Prètre (Priesterwald) und die benachbarten Frontbereiche. Auch nördlich Flirey, im Gebiet des Mort-Mare-Waldes und des Bois de la Sonnard, sollte es zu sehr schweren Kämpfen kommen.
Am 05. April 1915 griff die 76. französische Infanterie-Division die deutschen Stellungen an. Die Franzosen stürmten nach nur kurzer Artillerievorbereitung aus ihren Gräben. Sie drangen mit Stoßtrupps tief in das deutsche Stellungssystem ein, so an einigen Stellen bis in den dritten Graben. Die Deutschen führten Gegenangriffe durch. In den nächsten zwei Wochen folgte Angriff auf Gegenangriff. Die Franzosen konnten stellenweise den vorderen deutschen Graben behaupten und lagen den deutschen Truppen nunmehr auf Handgranatenwurfweite gegenüber. |
Am 19. April 1915 sollte das 63. französische Infanterie-Regiment erneut antreten, nachdem es an den vorherigen Tagen erheblich dezimiert worden war. Angehörige der 5. Kompanie weigerten sich zu stürmen. In Anbetracht dieser Meuterei wollte die französische Heeresleitung ein Exempel statuieren. Aus dem Regiment bestimmte das Los einen Unteroffizier und drei Mannschaften. Es traf die Soldaten Antoine Morange, Félix Baudy, François Fontanaud und Jean-Henri Prebost. Sie wurden vor ein Kriegsgericht gestellt und am 20. April 1915 nahe der Ortschaft Manonville füsiliert.
Nach diesen Ereignissen erlahmten die wechselseitigen Angriffsbemühungen. Es wurde der in diesem Frontabschnitt bereits im Februar 1915 begonnene Minenkrieg intensiviert.
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Man untertunnelte durch einzelne, später auch miteinander verbundene Stollen die feindlichen Gräben und sprengte diese mitsamt deren Besatzung in die Luft. In der Zeit zwischen Februar 1915 und April 1917 wurden mehr als 130 Sprengungen auf einer Frontbreite von knapp einem Kilometer vorgenommen. Durch deutsche Sprengungen starben etwa 150 französische Soldaten. Umgekehrt kam es zu einer vergleichbaren Anzahl an Toten.
Bei den verbissenen Kämpfen im April 1915 fielen sowohl auf französischer als auch auf deutscher Seite jeweils mehr als 1.500 Soldaten. Dies stellte, bezogen auf das kleine Kampfgebiet und den kurzen Zeitraum der Kämpfe, einen für die gesamte Westfront selten hohen Blutzoll dar. Den Franzosen war lediglich ein etwa 700 Meter tiefer Geländegewinn auf knapp einem Kilometer Frontbreite gelungen, wo sich ab diesem Zeitpunkt beide Seiten in ihren Gräben dicht gegenüber lagen.
Nach den Kämpfen im Jahr 1915 ebbten die französischen Offensivbemühungen und auch die deutschen Rückgewinnungsversuche ab. Die Franzosen hatten bei den Kämpfen einen Großteil ihrer taktischen Reserve für diesen Abschnitt eingebüßt. Man beschränkte sich nunmehr auf wechselseitige Patrouillenunternehmungen, den Minenkrieg und den Artilleriekampf. |
Vor einigen Jahren wurde im Bereich des Bois de Mort-Mare östlich des französischen Denkmals an der D 904 zwischen Flirey und Essey ein beschilderter Rundweg geschaffen. Er führt vorbei an verschiedenen Infotafeln bis zum Kreuz für den französischen Sergeanten Rochas und entlang mehrerer Trichter, die bei deutschen Minensprengungen im Februar und August 1915 entstanden. Die Trichter sind auf obiger französischer Stellungskarte zu erkennen, wie auch die weiter westlich gelegenen. Dem Verlauf der teils noch sehr gut erhaltenen deutschen vordersten Stellungen kann man ausgehend dieses Rundwegs über etwa 3 Kilometer in östlicher Richtung entlang des Waldrandes folgen.
Ereignisse in den Jahren 1916 und 1917Im Jahr 1916 begannen die Deutschen damit, das Stellungssystem im Bois de la Sonnard und Bois de Mort-Mare massiv auszubauen. Im vorderen Stellungsbereich wurden die feindseitigen Brustwehren aus Bruchstein gemauert oder betoniert. Es wurden tiefe Unterstände sowie Drainagen angelegt, ebenso betonierte Infanterie-Auftritte, Beobachtungs- und MG-Stände. Auch die zweite und dritte Linie sowie die Annäherungsgräben wurden teilweise entsprechend ausgebaut. Diese Arbeiten wurden über das Jahr 1917 hinweg fortgesetzt. Große Teile dieser Stellungen sind heute noch in gutem Zustand erhalten und im Gelände aufzufinden.
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Das Jahr 1918 - Paul Coelestin Ettighoffer - Unternehmen Kirschblüte
Letzte erwähnenswerte deutsche Angriffe fanden in dem Gebiet um den Bois de Mort-Mare und Bois de la Sonnard im Frühjahr 1918 statt. Bei diesen Kämpfen, die durch Einheiten der 78. Reserve-Infanterie-Brigade im Wesentlichen um das Dorf Seicheprey geführt wurden, kam es im April 1918 zu der ersten ernsthaften Konfrontation zwischen deutschen und amerikanischen Truppen während des Ersten Weltkrieges.
Anfang April 1918 wurde durch die deutsche Führung die sich immer weiter verstärkende Präsenz amerikanischer Truppen registriert und zum Anlass genommen, Stoßtruppunternehmen aus den Stellungen südlich und östlich der Ortschaft St. Baussant auf das Dorf Seicheprey zu planen.
Das Gebiet wurde von Einheiten der 26. US Infanterie-Division aus Connecticut, genannt "Yankee-Division", gehalten. Nach dem amerikanischen Kriegseintritt waren die US-Verbände Ende 1917 zunächst mit ca. 170.000 Mann in Frankreich gelandet und nur wenige Wochen im Einsatz. Sie waren hoch motiviert, bestens ausgerüstet, gleichwohl noch völlig unerfahren. Ursprünglich war geplant, am 14. April 1918 mehrere eigenständige Unternehmungen zeitgleich zu starten, so beispielsweise im Abschnitt des Reserve-Infanterie-Regiments 258 südlich Lahayville das Unternehmen "Schnepfenstrich". |
Nur wenige Stunden vor der geplanten Ausführung wurde der Plan geändert. Es wurde ein einheitliches, großes Stoßtruppunternehmen angeordnet. Dieses erhielt die Bezeichnung Unternehmen "Kirschblüte". Ziel des Angriffs war nicht die Einnahme des Dorfes Seicheprey, wie in amerikanischen Darstellungen zu den Kämpfen meist zu lesen ist, sondern die Störung feindlicher Aufmarsch- und Angriffsvorbereitungen sowie das Einbringen von Gefangenen zu Aufklärungszwecken.
Gegen 06.30 Uhr am Morgen des 20. April 1918 stürmten etwa 600 deutsche Soldaten des Reserve-Infanterie-Regiments 259 gegen die alliierten Stellungen vor. Sie wurden unterstützt durch zwei Kompanien des Sturm-Bataillons 14 mit Flammenwerfern, Teilen der Pionier-Kompanien 79 und 80 sowie zwei Freiwilligen-Kompanien des Reserve-Infanterie-Regiments 258. Vorbereitet wurde die Aktion durch ein Artilleriefeuer, bei dem über 20.000 Gasgranaten verschossen wurden. Der Feind wurde überrascht und überall geworfen. Die Einnahme des Dorfes Seicheprey gelang auf Anhieb und die deutschen Truppen drangen weiter in das amerikanisch-französische Stellungssystem vor. Verhaltene Gegenangriffe der Amerikaner konnten am 20. April 1918 abgeschlagen werden. Bereits am 21. April 1918 konsolidierte sich jedoch die Situation auf französisch-amerikanischer Seite. Mit einem massiven Artilleriebombardement auf die Ortschaft Seicheprey eröffneten die Amerikaner einen Gegenangriff. Die Deutschen hatten den Ort jedoch planmäßig wieder geräumt und sich mit etwa 200 Gefangenen auf ihre Ausgangsstellungen zurückgezogen. Was von dem Dorf Seicheprey aus den bisherigen Kämpfen übrig geblieben war, wurde bei diesem Artilleriebombardement im April 1918 endgültig zerstört.
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Als Leutnant, Stoßtruppführer und Chef der 7. Kompanie des Reserve-Infanterie-Regiments 259 nahm der am 14. April 1896 in Colmar geborene, nach dem Krieg in Niederkastenholz bei Euskirchen lebende und 1975 verstorbene Schriftsteller Paul Coelestin Ettighoffer an dem Stoßtrupp-Unternehmen teil. Von ihm stammen viele militärhistorische Werke wie das 1936 erschienene "Verdun. Das Große Gericht" oder das 1937 herausgebrachte Buch "Eine Armee meutert. Frankreichs Schicksalsstunde 1917".
In seinem Erstlingswerk "Gespenster am Toten Mann" aus dem Jahr 1931, Kapitel „Landsknechte gegen Sportsleute", beschreibt Ettighoffer ab Seite 272 sehr eindrucksvoll den Ablauf der Kämpfe. Aus seinem Bericht ergibt sich ein schonungsloses Bild des Zustandes der deutschen Truppen im vierten Kriegsjahr und besonders der unzureichenden Ausrüstungs- und Verpflegungssituation. |
deutsches Stellungssystem - heutige Situation - Jugendbaustelle St. Baussant
In dem Waldgebiet zwischen St. Baussant und Flirey wird seit dem Jahr 2013 ein Teil der ehemaligen deutschen Linien unter Leitung der Fédération Départementale des MJC pilote Jeunesse et Territoire in Thiaucourt restauriert. Schüler der 10. Klassen des Johannes-Heidenhain-Gymnasiums in Traunreuth/Bayern, organisiert durch das Jugendzentrum Traunreuth, nehmen regelmäßig an den Arbeiten teil. Das Projekt trägt den Namen "Jugendbaustelle St. Baussant". Es wird durch die Europäische Union großzügig gefördert.
Heute bereits ist durch die Zusammenarbeit der deutsch-französischen Jugendgruppen eine bemerkenswert umfangreiche und authentische Anlage entstanden, die eindrucksvoll die damalige Gestaltung des Stellungsabschnitts erfahrbar macht. Viele Info-Tafeln geben dezidiert die damaligen Geschehnisse sowie die historischen Hintergründe und Zusammenhänge wieder.
Aktionen wie diese länderübergreifende Zusammenarbeit junger Menschen zeigen, wie eine gelungene schulische Befassung mit der gemeinsamen deutsch-französischen Geschichte und damit ein produktiver Beitrag zur europäischen Völkerverständigung gestaltet werden kann. Im Jahr 2015 wurde über die Arbeiten ein sehenswerter Dokumentarfilm gedreht (https://vimeo.com/146384244). Es wäre wünschenswert, wenn solche Jugend-Projekte in Anbetracht ihrer Bedeutung für das gesamteuropäische Geschichtsverständnis auch in Deutschland deutlich mehr pädagogische Aufmerksamkeit und staatliche Förderung erhielten.