Abris du Kronprinz -
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Westlich der Ortschaft Varennes-en-Argonne und nördlich der Varenner Straße, der heutigen D 38, finden sich im Bois du Bel Orme die sehenswerten Reste eines ehemaligen deutschen Lagers und eines größeren Feldbahnhofs. Durch die deutschen Truppen wurde der Bereich jedenfalls ab Beginn des Jahres 1915 "Römerbahnhof" und "Römer-Lager" genannt, die Franzosen bezeichneten ihn als "Champ Mahaut". Heute ist er unter der Bezeichnung "Abris du Kronprinz" oder "Abri du Kronprinz" (Kronprinzen-Bunker) bekannt und mit entsprechender Beschilderung touristisch erschlossen. Auf Grund seiner zentralen Lage im mittleren Argonnenabschnitt hinter den Frontbereichen la Fille Morte und Höhe 285 (la Haute Chevauchée) erlangte der Komplex erhebliche strategische Bedeutung.
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Ausgehend der D 38, etwa 500 m östlich der Kreuzung zur D 38c Richtung Haut Chevauchée, zweigt aus Richtung Varennes-en-Argonne nach rechts ein Waldweg ab, über den man den ehemaligen Lagerbereich nach etwa 1.000 Meter zu Fuß oder mit dem Auto erreicht. Soweit man auch die Umgebung erkunden möchte, bietet sich eine Verbindung mit weiteren sehenswerten Resten deutscher Stellungen im Bereich der II. Argonnenlinie oder auch entlang der Varenner Straße an.
Zur Geschichte der "Abris du Kronprinz" fallen Nachforschungen schwer, denn es finden sich so gut wie keine zeitgenössischen Quellen, die belastbare Angaben dazu liefern, welche Einheiten an der Errichtung des Lagers, der heute noch vorhandenen Reste und auch deren Nutzung über die Dauer des Krieges beteiligt waren.
Beiläufig enthalten einige Truppengeschichten Angaben zum "Römer-Lager", so die Geschichte des Landwehr-Infanterie-Regiments 27, das offenbar mit seinem Schwesterregiment, dem Landwerhr-Infanterie-Regiment 26, in den Jahren 1915 und 1916 am Ausbau des Lagers mitgewirkt hatte. Die 1. Kompanie des Pionier-Bataillons 16 war wohl ebenfalls ab dem Jahr 1915 mit dem Bau der heute noch vorhandenen Anlagen beschäftigt. Die Anwesenheit der Pioniere ist durch eine etwas versteckt im Lagerbereich vorhandene Inschrift belegt. Weitere im Argonnen-Abschnitt eingesetzte Pionier-Einheiten wie die Pionier-Bataillone 20 und 29 sollen ebenfalls an dem Bau des Lagers beteiligt gewesen sein.
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Bezüglich des Namens lässt sich ebenfalls nur spekulieren. Die französische Bezeichnung "Kronprinz" dürfte, wie bei anderen deutschen Bauwerken auch, mit der bei den Franzosen beliebten Adaptierung derartiger Titel für militärgeografische Zwecke zusammenhängen. Begriffe wie "Kaiser", "Kronprinz", "Bismarck", "Kluck", "Hindenburg" oder "Moltke" finden sich entlang der Westfront dutzendfach auf französischen Karten, ohne dass die Namensgeber zumeist auch nur in die Nähe entsprechender Positionen gekommen wären. Glaubt man französischen Postkartenbeschriftungen aus der Zeit kurz nach Kriegsende, bezieht sich der Name "Abris du Kronprinz" nicht etwa auf Wilhelm, den Kronprinzen des Deutschen Reichs, sondern vielmehr auf den Bayerischen Kronprinzen Rupprecht. Auch für diesen ist, wie für den Deutschen Kronprinzen, aber kein Aufenthalt im Lager belegbar.
Die deutsche Bezeichnung "Römer-Lager" dürfte, wie auch der benachbart gelegene "Römerbahnhof", halbwegs gesichert auf die westlich des ehemaligen Lagerbereichs verlaufende alte Römerstraße zurückgehen. Diese setzt sich nördlich der Varenner Straße (D 38) als Waldweg aus der von der Höhe 285 (Haut Chevauchée) kommenden D 38c fort.
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Das Römer-Lager bestand ursprünglich aus zwei größeren Teilen. Der nördliche Bereich lag am Hang eines recht steilen Taleinschnitts, der auf französischen Karten "les Précipices" genannt wird. Dort befanden sich ausweislich vorhandener Fotografien und Feldpostkarten Wohnstollen und an den Hang gebaute Unterkunfts-Hütten. Der südlichere, größere Komplex befand sich auf einer flachen, etwas nach Süden geneigten Ebene, die zu Kriegszeiten zwischen zwei wesentlichen Nachschubwegen lag, nämlich der "Zweibrücken-Straße" und der "Brigade-Straße". Beide Routen verbanden den westlich Varennes-en-Argonne beginnenden Argonnenabschnitt mit dem Rückraum. Sie mündeten auf den "Esebeck-Platz" (Abri du Crochet) in der Gemarkung le Crochet. Über diesen zentralen Wegestern wurde ein großer Teil des Nachschubs und Truppenersatzes für die vorgelagerten Frontbereiche la Fille Morte und Haut Chevauchée (Höhe 285) in den mittleren Argonnen abgewickelt.
Im Bereich des ehemaligen Römer-Lagers finden sich heute noch zwei Gruppen von sehenswerten Betonunterständen. Der größere Bereich ist durch eine entsprechende Beschilderung ausgehend der D 38 leicht zu finden. Die kleinere Gruppe Bunker, die eher unbekannt, jedoch nicht minder interessant ist, findet sich östlich der Hauptgruppe an einem verwilderten Waldweg, etwa 150 Meter nördlich der Haupt-Zuwegung. Einige der Bauwerke weisen aufwändige Wandbemalungen, Kachelungen, gemauerte Kamine und weitere Einrichtungen auf, bspw. Öfen und Regale, die man ansonsten in entsprechenden Schutzräumen nicht findet. Die bemerkenswerte bauliche Ausgestaltung der Anlagen legt nahe, dass es sich um Quartiere höherer Offizierskommandos handelte. Die Art des Ausbaus auch unter Verwendung von Beton-Formsteinen zeigt zudem, dass sie frühestens ab Ende 1916 errichtet wurden, als die Fertigkeiten der Truppe in der Verwendung des Baustoffs Beton auch für den Unterkunftsbau entsprechend fortgeschritten waren.
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Belegt ist, dass der Bereich um das Römer-Lager im Rahmen der französisch-amerikanischen Maas-Argonnen-Offensive auf der Grenze der Angriffsabschnitte der 28. und 77. US-Infanterie-Division lag und zwischen dem 27. und 28. September 1918 eingenommen wurde. Berichten amerikanischer Soldaten zufolge wurden bei der Einnahme des Lagers umfangreiche Mengen an Vorräten aller Art, vor Allem hochwertige Lebens- und Genussmittel wie Wein, Champagner, Spirituosen und kubanische Zigarren, vorgefunden. Ebenso wird die Einrichtung des Lagers als sehr luxuriös beschrieben. Die Rede ist von elektrischer Beleuchtung, parkähnlichen Außenflächen mit Blumenbeeten, einer Kegelbahn, Nußbaumholz-Vertäfelungen im Inneren der Anlagen. Berichtet wird auch von hochwertiger Möblierung, Spiegelschränken, Kachelöfen und Badewannen. Nach überlieferten Erzählungen von Léon Hurlain, der von 1958 bis 1965 Bürgermeister in Lachalade war, habe er als Kind nach dem Ende der Kämpfe in einem der Bunker ein Klavier vorgefunden.
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Auch wenn zur Geschichte der Anlagen im ehemaligen Römer-Lager (Champ Mahaut) nahe der Varenner Straße in den Argonnen keine dezidierteren Erkenntnisse gewonnen werden können, lohnt sich eine Erkundung des Bereichs. Vor Ort kann man an Hand der noch existierenden Bauwerke und sonstigen Überbleibsel des Lagers den erstaunlichen Luxus erahnen, in dem die deutschen Soldaten unmittelbar hinter der vorderen Frontlinie gelebt haben müssen.