Deuxnouds-aux-Bois -
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Kürzlich fand sich bei der Anfertigung von Vorher-/Nachher-Aufnahmen in dem kleinen Dorf Deuxnouds-aux-Bois auf dem dortigen Ortsfriedhof, der zu Kriegszeiten auch zur Bestattung gefallener deutscher Soldaten diente, ein einzelnes, typisches französisches Soldatengrab. Das Kreuz trägt die Aufschrift:
MAHIEN HENRY
MORT POUR LA FRANCE le 10.10.1915 Es war schnell klar, dass dieses Grab im Zusammenhang mit mehreren deutschen Soldatenfotos stehen muss, die eine Beisetzung auf diesem Friedhof zeigen. Eines dieser Fotos trägt den handschriftlichen Vermerk: "Beerdigung von 2 franz. Fliegern. 10.10.15".
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Recherchen an Hand des auf dem Grabkreuz mit "Henry Mahien" angegebenen Namens ergaben zunächst keinerlei Hinweise, insbesondere nicht dahingehend, dass es sich bei diesem Soldaten um einen der auf dem Foto genannten französischen Flieger handelt. Vermutungen, es könnte sich trotz der datumsmäßigen Übereinstimmung vielleicht doch nur um einen anderweitigen kriegsbedingten Todesfall unter Vielen handeln, bestätigten sich nicht. Pierre Lenhard, französischer Militärhistoriker und akkreditierter Schlachtfeldführer aus Romagne-sous-les-Côtes, fand auf die Bitte um Unterstützung heraus, dass die Namensangabe auf dem Grabkreuz nicht korrekt ist und es sich bei dem gefallenen Franzosen vielmehr um Henri Joseph Mahieu handelt. Diese Information brachte sodann weitere Zusammenhänge hervor:
Henri Joseph Mahieu wurde am 1. Januar 1891 in der nordfranzösischen Stadt Valenciennes geboren. 1908 trat er als Freiwilliger in die französische Armee ein und diente zunächst im 23e régiment d´infanterie coloniale. Am 6. Juli 1915 erwarb er sein Flugzeugführer-Patent mit der Nummer 2116 und diente fortan im Dienstgrad eines Sergent Pilote in der französischen escadrille MF 63.
Am 10. Oktober 1915 startete Sergent Mahieu in einer französischen Maurice Farman F.11 und im Verband mit anderen Maschinen von einem Feldflugplatz bei Verdun zu seinem ersten Feindflug. Begleitet wurde er durch den als Beobachter und Bordschützen eingesetzten Sous-Lieutenant Henri Francois Mérillon, geboren am 11. August 1882 in Le Bouscat, Département Gironde. Ihr Auftrag bestand darin, Fotografien des großen deutschen Versorgungs-Bahnhofs bei Vigneulles-les-Hattonchâtel zu fertigen. Im Bereich der Maas-Höhen wurden sie in Luftkämpfe mit deutschen Flugzeugen verwickelt und auch vom Boden aus von der deutschen Flugabwehr beschossen. Gegen 15.00 Uhr am 10. Oktober 1915 wurde das französische Flugzeug getroffen und so schwer beschädigt, dass es auf der "le Rompu" genannten Höhe westlich Deuxnouds-aux-Bois abstürzte. Beide Insassen kamen ums Leben.
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Nach dem tragischen Geschehen wurden die Gefallenen durch deutsche Soldaten, vermutlich Angehörige des Rheinischen Fußartillerie-Regiments 8, geborgen und später auf dem Ortsfriedhof von Deuxnouds-aux-Bois im Rahmen einer würdigen Zeremonie beigesetzt. Das war im Jahr 1915 auch zu Ehren feindlicher Kameraden durchaus noch üblich. Der genaue Beerdigungszeitpunkt bleibt leider unklar, wird jedoch entgegen der handschriftlichen Notiz auf der damaligen Fotografie jedenfalls einige Tage nach dem Absturz stattgefunden haben. Die Fotos legen zudem nahe, dass an dem Begräbnis eine schwarz gekleidete Frau, möglicherweise die Mutter eines der beiden französischen Soldaten, teilgenommen hat.
Die deutschen Flugzeugbesatzungen, die in Abwehrkämpfe mit den französischen Angreifern eintraten, gehörten zur Bayerischen Feldflieger-Abteilung 3 (FFA 3 b) aus Oberschleißheim. Zum damaligen Zeitpunkt war die Einheit auf dem deutschen Feldflugplatz nahe der Marimbois Ferme (heute: Marin Bois) in der Woëvre-Ebene stationiert (D 903 zwischen Dampvitoux und St.-Benoît-en-Woëvre). Angehöriger dieser Einheit war der in Bayreuth geborene Ordonnanzoffizier und spätere Oberleutnant Robert Greim. Nach den Aufzeichnungen im nachstehend zitierten Logbuch gelang ihm der Abschuss des französischen Flugzeuges nahe der Ortschaft Deuxnouds-aux-Bois:
"Mehrmaliger Angriff von 2 und 3 M.F. Kampfflugzeugen und 1 Caudron. Angriff angenommen, jedoch infolge Ladestörung wieder aufgehoben. Die französischen Flugzeuge folgten kurze Zeit und änderten dann ihre Angriffsweise indem einer von unten, zwei von oben angriffen. Nach kurzem Luftkampf wurde der untere M.F. abgeschossen. Er stürzte lichterloh brennend auf die Höhe westlich Deuxnoud. Insassen: Offz. Beobachter Lt. Mérillon und Zivilpilot Mahieu tot. Flugzeug war von der Fliegerabt. 63 von Verdun." |
Auch wenn nach Darstellung anderer an den Kämpfen beteiligter französischer Besatzungen der entscheidende Treffer durch die deutsche Flugabwehr vom Boden aus erfolgt sein soll, wurde dem jungen deutschen Offizier der Abschuss zugeschrieben.
Robert Greim erwarb später selbst sein Fliegerpatent und erzielte im Verlauf des Ersten Weltkrieges insgesamt 28 Luftsiege. Im Oktober 1918 wurde er, bereits mit dem Orden Pour le Mérite ausgezeichnet, durch Verleihung des bayerischen Militär-Max-Joseph-Ordens geadelt. Er führte fortan den Namen Robert Ritter von Greim. In der Zwischenkriegszeit schloss er ein Jura-Studium in München ab und war für mehrere Jahre beratend am Aufbau der chinesischen Luftwaffe beteiligt. 1934 trat er in die neu gegründete deutsche Luftwaffe ein. Dort machte er schnell Karriere und erlangte im Verlauf des Zweiten Weltkriegs über die Ernennung zum Kommandeur der Luftflotte 6 (Ost) und in den letzten Tagen des Krieges zum Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber der Luftwaffe zweifelhafte Bekanntheit. Ritter von Greim starb durch Suizid am 24. Mai 1945 in einem Salzburger Krankenhaus, nachdem ihm durch seine amerikanischen Bewacher mitgeteilt worden war, dass seine Auslieferung an die Rote Armee bevorstehe.
An Hand der Gestaltung der Grablage auf dem Ortsfriedhof von Deuxnouds-aux-Bois ist davon auszugehen, dass dort auch heute noch das tatsächliche Grab des französischen Piloten Henri Joseph Mahieu zu finden ist. Der Verein Le Souvenir Francais ist über die Notwendigkeit einer namentlichen Korrektur in Kenntnis gesetzt. Der Verbleib des französischen Beobachters, Sous-Lieutenant Heni Francois Mérillon, ist hingegen bislang unklar. Wahrscheinlich ist, dass seine sterblichen Überreste nach dem Ende des Ersten Weltkrieges durch Angehörige an seinen Heimatort Le Bouscat überführt wurden.
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