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Michelstellung 1916 - 1918 -
Stellungssystem und Kämpfe im Rückraum des St. Mihiel-Frontbogens
Als Michelstellung (Michel-Stellung, Michel-Zone) wurde ein etwa 35 Kilometer langes und rund 1000 Betonbauten umfassendes Abwehrsystem an der östlichen Flanke des Frontbogens von St. Mihiel bezeichnet. Die Michelstellung war Ausprägung einer militärstrategischen Neuausrichtung ab dem Kriegsjahr 1916. Dazu gehörte auch die Schaffung großer rückwärtiger Stellungssysteme und dadurch bedingter Frontverkürzungen. Bekannt wurde die vielfach beschriebene Siegfried-Stellung im nördlichen Bereich der Westfront. Sämtliche dieser rückwärtigen Verteidigungslinien, so auch die Michelstellung, wurden von Engländern und Amerikanern einheitlich als "Hindenburg Line" bezeichnet.
Die Michelstellung wurde ab Mitte des Jahres 1916 geplant. Ab dem Spätherbst diesen Jahres wurde mit ihrer Errichtung begonnen. Sie wurde, da andere Frontabschnitte zu dieser Zeit Priorität erhielten, nur teilweise fertiggestellt und im Zuge der französisch-amerikanischen Offensive im September 1918 durch deutsche Truppen besetzt. Bei Angriffen der Amerikaner kam es bis zum 11. November 1918, dem Tag des Waffenstillstandes, vereinzelt zu schweren Kämpfen. Die Michelstellung blieb gleichwohl bis Kriegsende in deutscher Hand. Wesentliche Aspekte ihrer Entstehung und ihrer militärischen Bedeutung sind bislang kaum erforscht. Sie werden nachfolgend im Kontext der militärischen und politischen Gesamtentwicklungen ab dem Jahr 1916, als der Erste Weltkrieg in seine entscheidende zweite Hälfte trat, dargestellt.
Kriegsjahr 1916 - grundlegende Entscheidungen
Die militärgeschichtliche Betrachtung des Jahres 1916 wird seit jeher von zwei Operationen beherrscht: Einerseits ist das die deutsche Offensive bei Verdun und andererseits die von den Alliierten entfesselte Schlacht an der Somme. Im Dezember 1916 endeten die Kämpfe bei Verdun für das Deutsche Reich in einem Desaster, nämlich in dem Verlust des gesamten Gebietes, das in den Jahren zuvor erkämpft worden war. Obwohl die Deutschen in der etwa zeitgleich von den Alliierten abgebrochenen Somme-Schlacht deutliche Abwehrerfolge verzeichnen konnten, traten auch dort derart hohe Verluste ein, dass eine aktive Kriegsführung für absehbare Zeit nicht mehr möglich erschien.
Auf der Grundlage dieser für Deutschland krisenhaften und für die Alliierten ermutigenden Gesamtsituation fanden 1916 mehrere wichtige Ereignisse statt. So kam es zu zwei Konferenzen, deren Beschlüsse das weitere Kriegsgeschehen maßgeblich beeinflussen sollten. Sowohl in Frankreich als auch auf deutscher Seite erfolgte ein Wechsel der militärischen Führung, In England änderten sich die politischen Verhältnisse, was ebenfalls Auswirkungen auf die weitere Strategie des Königreichs haben sollte.
Konferenz von Chantilly am 16. November 1916
Am 16. November 1916 fand auf Schloss Chantilly bei Paris, dem Hauptquartier der französischen Armee, ein Treffen der alliierten Führung statt.. Die Ziele für das Jahr 1917 sollten festgelegt werden. Man sah Deutschland an den Grenzen seiner Möglichkeiten und war sich sicher, im kommenden Frühjahr einen Durchbruch erzielen zu können. Diese Erwartungen hatten am 12. Dezember 1916 den Wechsel des französischen Generalstabschefs Ferdinand Foch auf den Posten des alliierten Oberbefehlshabers zur Folge. Den Befehl über die französischen Truppen erhielt Robert Nivelle. Er vertrat eine aggressivere Strategie als sein Vorgänger. Durch zwei Operationen wollte Nivelle, die deutsche Front durchstoßen. Neben einem Angriff bei Arras sollte es ab April 1917 zu dem Hauptangriff, der Doppelschlacht an der Aisne und in der Champagne, kommen. Trotz geringer Anfangserfolge hielt die deutsche Verteidigung stand. In Anbetracht riesiger Verlustzahlen meuterten Teile der französischen Truppen.
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Bereits Anfang Mai 1917 musste die für die Alliierten verheerend verlaufende Offensive abgebrochen werden. General Nivelle wurde abgesetzt. Die französische Armee stand kurz vor der Auflösung. Den Oberbefehl übernahm der "Retter von Verdun", General Pilippe Pétain. Durch Frontbesuche, eine Relativierung der strengen Dienstregularien sowie eine Verbesserung der Nachschuborganisation gelang es Pétain, die Disziplin der Truppe wiederherzustellen. Um hohe Verlustzahlen zu vermeiden, beschränkte sich Pétain zunächst auf eine defensivere Kriegsführung.
Rücktritt Falkenhayns - Besprechung in Cambrai am 07. September 1916
Der Kriegseintritt Rumäniens im August 1916 hatte es für die Deutschen notwendig gemacht, starke Truppenkontingente von der Westfront abzuziehen und im Osten einzusetzen. So verschlechterte sich die ohnehin schwierige Situation erheblich, besonders in den Kämpfen bei Verdun und an der Somme.
Die mangelnden Erfolge an der Westfront, diverse Intrigen hoher Offiziere und konkret der Vorwurf, er sei vom Kriegseintritt Rumäniens überrascht worden, veranlassten den Chef des Generalstabes, Erich von Falkenhayn, zu einem Abdankungsgesuch. Nach anfänglichem Zögern gab der Kaiser dem Gesuch am 28. August 1916 statt.
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Nachfolger in der Obersten Heeresleitung (OHL) wurde das an der Ostfront erfolgreich tätige Feldherren-Duo Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff. Von Falkenhayn erhielt das Kommando über die 9. Armee und konnte gemeinsam mit österreichischen Truppen die Angriffe der Rumänen bis Dezember 1916 entscheidend zurückschlagen.
Die neue Führung trat ihr Amt in der bis dahin schwersten Krise des Krieges an. Wie Ludendorff später schrieb, diktierten nicht die Oberste Heeresleitung, sondern die Gegner und die schlechte Versorgungssituation alle militärischen Handlungsoptionen. Eine erste Bewertung der Gesamtlage ergab, dass die deutsche Kriegswirtschaft den gestiegenen Anforderungen und auch den gegnerischen Möglichkeiten nicht mehr gewachsen war. Am 31. August 1916 legte die OHL der Reichsregierung eine umfangreiche Liste mit Forderungen vor, die im Wesentlichen eine massive Erweiterung der Munitions- und Waffenproduktion durch Fokussierung des gesamten Sozial- und Wirtschaftssystems auf militärische Belange zur Folge haben sollte. Diese als "Hindenburg-Programm" bekannt gewordenen Pläne kamen, da sie innenpolitisch nicht in der gewünschten radikalen Form umsetzbar waren, kaum zur Geltung.
Neben materiellen Unzulänglichkeiten ließ das Fehlen ausreichenden Truppenersatzes die kommenden Aufgaben im Osten wie auch eine effektive Kriegsführung im Westen fraglich erscheinen. Am 02. September 1916 wurde deshalb der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz befohlen, sämtliche Angriffsbemühungen vor Verdun vollständig einzustellen. Als am Folgetag wieder starke Angriffe der Alliierten an der Somme begannen und sich abzeichnete, dass trotz der Beendigung der Operationen bei Verdun keine nennenswerten Truppenkontingente aus der Front zu gewinnen waren, kam es zu ersten konkreteren Überlegungen Ludendorffs und einiger Offiziere in den Armeeführungen, durch taktische Frontverkürzungen Einheiten frei zu bekommen.
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Um sich ein genaueres Bild der Lage an der Westfront zu verschaffen, reisten Hindenburg und Ludendorff zu einem am 07. September 1916 im Hauptquartier der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht in Cambrai stattfindenden Treffen mit allen wesentlichen militärischen Entscheidungsträgern. Zuvor kam es zu Gesprächen mit einzelnen Truppenführern, so auch mit Kronprinz Wilhelm von Preußen, dem ältesten Sohn des Kaisers, Chef der 5. Armee und Führer der neu gebildeten Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Dieser hatte bereits ab Mitte 1916 ein Ende der Verdun-Offensive gefordert, konnte sich aber gegen den vormaligen Generalstabschef von Falkenhayn nicht durchsetzen.
Die gewonnenen Erkenntnisse waren für Hindenburg und Ludendorff besorgniserregend. Die hohen Verluste in den Somme-Kämpfen konnten nicht mehr aufgefangen werden. Von vielen Generalstäblern wurden die ins Spiel gebrachten Rückzugspläne jedoch weithin skeptisch gesehen. Die Wirkung solch defensiver Maßnahmen wurde als zu negativ bewertet. Jedenfalls müsse eine günstige Entwicklung gegenüber den im Osten angreifenden Rumänen abgewartet werden, um im Westen wieder Handlungsspielraum zu erhalten. Zudem sollte die Somme-Schlacht zu Ende gekämpft und bis zum Inkrafttreten des "Hilfsdienstgesetzes" als Teil des Hindenburg-Programms (5. Dezember 1916) gewartet werden, um den Eindruck der Schwäche zu vermeiden. Dieser Einschätzung schloss sich Ludendorff für den Moment an.
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Hindenburg und Ludendorff kehrten nach dem Ende der Beratungen in das Große Hauptquartier zurück, das zu dieser Zeit in der oberschlesischen Stadt Pleß (poln.: Pszczyna) eingerichtet war. Entscheidungen waren notwendig. Am 15. September 1916 erging die Weisung an die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht, eine rückwärtige Stellung auf der Linie Arras - Laon zu planen. Hieraus entstand die so genannte Siegfried-Stellung. Der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz wurde befohlen, einen Rückzug aus dem St. Mihiel - Frontbogen auf eine Sehnenstellung zwischen Étain und Pont-á-Mousson vorzubereiten. Dies war die Geburtsstunde der Michelstellung. Weitere rückwärtige Stellungssysteme wurden ebenfalls in Aussicht genommen, so insbesondere die Flandern-Stellung im Norden Frankreichs und Belgiens sowie die weiter südlich gelegene Wotan-Stellung, die an die Siegfried-Stellung anschloss. Südlich der Siegfried-Stellung wurde die Hunding-Stellung geplant, die im Bereich des Städtchens Étain in die Michelstellung übergehen sollte.
alternative Strategien
Tatsächlich dauerten die schweren Kämpfe an der Somme noch bis November 1916. Alle irgendwie verfügbar zu machenden Divisionen mussten im Austausch gegen abgekämpfte Einheiten eingesetzt werden. Im gesamten deutschen Heer gab es kaum ein Regiment, das nicht jedenfalls einmalig an der Somme-Front eingesetzt wurde. So gelang es letztendlich mit Mühen, allen feindlichen Durchbruchsversuchen standzuhalten.
Auch wenn das für die Alliierten ernüchternde Ergebnis der Somme-Kämpfe auf deutscher Seite als Abwehrsieg propagiert werden konnte, ergab eine objektive Betrachtung, dass das Heer und auch die deutsche Kriegs- und Zivilwirtschaft auf Grund der erdrückenden materiellen Überlegenheit der Gegner eine weitere Schlacht wie die Somme-Schlacht nicht mehr verkraften würde. Dies und die Aussicht, dass bereits im Frühjahr 1917 mit neuerlichen alliierten Großoffensiven zu rechnen war, zudem absehbar keine ausreichenden Ressourcen für eigene Offensivbemühungen im Westen zur Verfügung standen, machte alternative Konzepte notwendig, um das Ziel einer positiven Beendigung des Krieges zu erreichen.
Zwei Optionen gerieten in den Fokus: Zum einen war dies die kriegerische Entscheidung durch maximale Steigerung der gesamten wirtschaftlichen und militärischen Anstrengungen und zum anderen eine Friedenslösung auf diplomatischem Weg. Es kam zu einer Kombination aus Beidem.
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Friedensfühler, uneingeschränkter U-Boot-Krieg
Die deutsche Reichsregierung hatte bereits ab Sommer 1916 in Ansehung der sich durch Missernten und die britische Seeblockade dramatisch verschlechternden Versorgungslage zaghafte Versuche unternommen, auf diplomatischem Weg die formell neutralen USA mit ihrem Präsidenten Woodrow Wilson zu einer Friedensinitiative zu veranlassen. Die Amerikaner lehnten eine solche zwar nicht ab, doch weder vor noch unmittelbar nach der Wiederwahl Wilsons im November 1916 kam es zu entsprechenden Aktivitäten. Den Deutschen und ihren Verbündeten lief die Zeit davon. Auf österreichischen Vorschlag und mit Zustimmung der Obersten Heeresleitung unterbreitete die Reichsregierung den Gegnern am 12. Dezember 1916 durch eine Note des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg ein eigenes Friedensangebot.
Was folgte, waren Stellungnahmen verschiedener alliierter Politiker, in denen das deutsche Angebot in schroffer Form zurückgewiesen wurde. So bezeichnete der französische Ministerpräsident Aristide Briand bereits am 13. Dezember 1916 den deutschen Vorstoß als reines Manöver, um unter den Alliierten Zweitracht zu säen. Kurz darauf formulierte der russische Außenminister Nikolai Pokrowski, der Friedensvorschlag habe lediglich das Ziel, die Gegner zu vernichten. Am 19. Dezember 1916 äußerte sich auch David Lloyd George, gerade englischer Premierminister geworden, in einer Rede vor dem Unterhaus deutlich ablehnend. Insofern bestätigten sich die negativen Erwartungen vieler deutscher Militärs, die bezweifelten, dass über Verhandlungen eine Friedenslösung herbeizuführen sei.
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Der wesentliche Grund für die ablehnende Haltung der Alliierten lag in deren zunehmender Siegeserwartung. Die massive Unterstützung durch die USA mittels Munitions- und Verbrauchsgüterlieferungen und deren großzügige Kreditierung gaben ihnen Zuversicht. Bereits Ende 1916 kämpften mehr als 50.000 amerikanische Freiwillige in der englischen und etwa 10.000 in der französischen Armee. Mitte Dezember 1916 gelang den Franzosen ein durchgreifender Erfolg: Mit einem Angriff von lediglich vier Divisionen konnten die deutschen Truppen vor Verdun auf ihre Ausgangsstellungen zu Beginn der Offensive zurück geworfen werden. In dieser euphorisierenden Atmosphäre schienen den Alliierten Friedensverhandlungen weder innenpolitisch noch militärisch opportun.
So kam es, dass das deutsche Friedensangebot durch eine offizielle Note vom 30.12.1916 formell abgelehnt wurde. Die Antwort war bewusst in einem sehr brüskierenden Ton abgefasst. Auf einen am 21. Dezember 1916 doch noch veröffentlichten Friedensappell Wilsons, in dem er das deutsche Angebot in keiner Weise thematisierte, erfolgte am 11. Januar 1917 eine wiederum schroff ablehnende Antwort. Damit stand für die deutsche Seite fest, dass auf diplomatischem Weg und zu akzeptablen Bedingungen eine Friedenslösung in der momentanen Phase des Krieges nicht zu erreichen war. |
Die gravierenden Folgen dieses Szenarios waren allen Beteiligten klar: Deutschland war bloßgestellt. Es würde all seine wirtschaftlichen und militärischen Kräfte bündeln, um eine kriegerische Entscheidung zu suchen. Dabei würde es auch zu dem von militärischer Seite seit Langem geforderten uneingeschränkten U-Boot-Krieg zurückkehren, um England von Versorgungslieferungen abzuschneiden. Die USA würden durch die Bedrohung des Seehandels Möglichkeiten für die propagandistische Beeinflussung ihrer bis dato kriegsunwilligen Bevölkerung und sodann einen Anlass finden, aktiv in das Kriegsgeschehen einzugreifen. Letzteres war von politischen Kreisen bereits seit 1915 forciert worden, nachdem am 07. Mai 1915 ein deutsches U-Boot den englischen Luxusdampfer Lusitania versenkt hatte, Die amerikanische Rolle stellte damit eine wesentliche Ursache für das Scheitern der deutschen Friedensbemühungen und auch den Fortgang des Krieges dar.
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Kriegsjahr 1917 - Stellungsbau und strategische Neuausrichtung
Die deutschen Abwehrerfolge gegenüber den alliierten Offensivbemühungen des Frühjahres 1917 in Nordfrankreich, am Chemin des Dames und in der Champagne, die als Nivelle-Offensive bekannt wurden, resultierten ganz wesentlich aus der Schaffung von Frontbegradigungen und Auffang-Stellungen, wie sie in Form der Siegfried-Stellung als Folge der Besprechung in Cambrai am 07. September 1916 beschlossen und durch die Oberste Heeresleitung angeordnet wurden. Notwendig war dafür die Aufgabe tiefer Landstriche, die zuvor mit stellenweise hohem Blutzoll erobert worden waren. Das stieß bei vielen Truppenführern auf harsche Kritik. General Ludendorff hielt jedoch an diesen Plänen fest, so dass in Erwartung alliierter Offensivbemühungen für das Frühjahr noch im Herbst 1916 mit dem Projekt begonnen wurde.
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Am bekanntesten wurde das "Unternehmen Alberich", bei dem bis Ende März 1917 die in nur wenigen Monaten errichtete Siegfried-Stellung besetzt wurde. Dem Rückzug ging besonders zwischen den Städten Arras und Soissons die planmäßige Verwüstung weiter Teile des zu räumenden Gebietes vorweg. Alle wesentlichen Bestandteile der zivilen und militärischen Infrastruktur wurden zurückgebaut oder zerstört. Die kriegsverwendungsfähige Bevölkerung wurde in hintere Landesteile abgeschoben. Ältere Menschen, Frauen und Kinder wurden an bestimmten Orten gesammelt und dem Gegner überlassen. Insgesamt wurden bei dem "Unternehmen Alberich" mehr als 200 französische Ortschaften dem Erdboden gleichgemacht. Ihre Angriffe im Frühjahr 1917 mussten die alliierten Truppen damit losgelöst vom eigenen Nachschubsystem aus einem mehrere dutzend Kilometer tiefen Streifen "verbrannter Erde" führen, wohingegen die deutsche Abwehr aus starken und allen modernen Anforderungen entsprechenden Verteidigungsstellungen heraus operieren konnte.
Bis März 1917 war im Falle der Siegfried-Stellung aus etwa 500.000 Tonnen Kies und Schotter, 100.000 Tonnen Zement und 35.000 Tonnen Stahl eine etwa 150 Kilometer lange Verteidigungsanlage geschaffen worden. Hinzu kamen Hindernisse aus etwa 5 Millionen eisernen und hölzernen Pfählen, 13.000 Tonnen Stacheldraht und unzählige spanische Reiter. Es handelte sich um das größte einheitliche Bauprojekt des gesamten Krieges. Keine der bisherigen oder später errichteten Stellungen erreichte auch nur im Ansatz den Verteidigungswert dieser Anlage.
Die Schaffung der Siegfried-Stellung wurde durch Franzosen und Engländer frühzeitig erkannt. Sie wurde zunächst als Schwäche und Ansporn für die im Frühjahr 1917 im dortigen Bereich geplanten Offensivbemühungen angesehen. An Hand massiver Verluste und nur marginaler Geländegewinne zeigte sich jedoch der Nutzen einer entsprechend tief gegliederten Verteidigung.
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Maßgeblicher Auslöser dieser Frontverkürzungen und rückwärtigen Stellungen war eine grundlegende Änderung der Verteidigungsstrategie. Zu Beginn des Krieges rechnete keiner der Kontrahenten damit, dass nach nur wenigen Wochen des Bewegungskrieges der Stellungskrieg Einzug halten und damit der Schwerpunkt taktischer Überlegungen mehr auf der Abwehr feindlicher Angriffe als auf eigenen Angriffsbemühungen liegen werde.
Bereits im Sommer 1916 hatte der damalige Generalstabschef von Falkenhayn aus den Erfahrungen der Verdun- und Somme-Kämpfe die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung des Stellungsbaus, der Kampfführung und der diesbezüglichen Regularien erkannt. Bis dahin fehlten einheitliche Regeln. Jede Armee bis hinunter auf Divisionsebene hatte eigene bautechnische Vorgaben insbesondere für die Errichtung von Stellungssystemen, Unterständen und Betonbauten. Diese waren mit denen anderer Einheiten vielfach nicht kompatibel. Zudem betätigten sich viele mehr oder minder begabte Truppenführer an der Konstruktion und Errichtung von Schützengräben, Unterständen und Betonbauten. So kam es insbesondere bei den häufigen Ablösungen zu Problemen, da unterschiedliche Bauausführungen aufeinander trafen. |
Michel-Zone - Verteidigungssystem im Rückraum des Frontbogens von St. Mihel
Eine an der Westfront einmalige Sonderrolle bei diesen strategischen Planungen nahm der Frontbogen von St. Mihiel ein. Am 25. September 1914 gelang dem III. Königlich-Bayerischen Armeekorps im Zuge der geplanten Umschließung des Festungsgürtels von Verdun die Einnahme des Maas-Städtchens St. Mihiel und einen Tag später auch des südlich gelegenen Forts du Camp des Romains. Weiter nördlich befindliche Ziele wurden verfehlt. Die Forts des Paroches und de Troyon sowie ausgedehnte Abschnitte der Côtes Lorraines blieben in französischer Hand. Hierdurch wurde mit dem Bogen von St. Mihiel eine Frontausbuchtung geschaffen, die für vier Kriegsjahre Bestand haben und für die Deutschen erhebliche strategische Bedeutung erlangen sollte.
Der Saillant de St. Mihiel, wie die Franzosen das Gebiet nannten, erreichte zwischen Maas und Mosel eine Tiefe von etwa 35 Kilometern. In vorderster Linie waren auf deutscher wie auf französischer Seite auch in ruhigen Zeiten jeweils bis zu 10 Divisionen eingesetzt, wobei die Deutschen auf Grund geografisch günstigeren Stellungsverläufen im Vorteil waren. Der Frontbogen stellte eine wichtige Absicherung der an der Mosel liegenden Festungsstädte Metz und Thionville dar. Er sicherte die nördlich verlaufenden Stellungen bis in den Bereich der Festung Verdun und die dortigen Operationen während der Verdun-Kämpfe gegen flankierende Angriffe aus dem Umfeld der französischen Festung Toul. Er behinderte über nahezu die gesamte Kriegsdauer alle französischen Aktionen südlich Verdun und blockierte die wichtigen Eisenbahnrouten zwischen Verdun und Toul sowie dem logistisch wichtigen Zentrum Frankreichs um die Hauptstadt Paris.
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Noch im Jahr 1914 kam es zu starken französischen Angriffen, um das verlorene Territorium zurück zu gewinnen. Diese Operationen steigerten sich bis zur so genannten "Frühjahrsschlacht zwischen Maas und Mosel" im April 1915, mit der durch konzentrische Angriffe über die Combres-Höhe hinweg sowie südlich im Bereich zwischen der Ortschaft Flirey und dem Moselstädtchen Pont-à-Mousson ein Abkneifen der Frontausbuchtung erreicht werden sollte. Sämtliche Bemühungen der Franzosen scheiterten verlustreich.
Aus diesen schweren Kämpfen ergab sich für die deutsche Seite bereits 1915 die Schlussfolgerung, dass weiteren Angriffen durch massiven rückwärtigen Stellungsausbau vorgebeugt werden müsse. Besonders das Gelände an der Südflanke und im Zentrum des Frontvorsprungs zeichnete sich durch sehr hohes Grundwasser aus, was den Bau von Gräben und Unterständen erschwerte und den Feind zu größeren Angriffsoperationen geradezu einlud. Ohne eine effektive rückwärtige Absicherung, so bereits die damalige Überzeugung, wären unkalkulierbare Risiken für die weiter nördlich gelegenen Stellungsabschnitte bei Verdun, die Logistikzentren Metz und Thionville und damit auch eine unmittelbare Bedrohung des nahen Reichsgebietes die Folge.
Umfassendere Planungen und Bautätigkeiten im Bereich des Frontbogens von St. Mihiel wurden gleichwohl bis Ende 1916 zurückgestellt, da sich das Augenmerk zunächst auf weiter nördlich liegende Abschnitte der Westfront richtete. Der Frontbogen von St. Mihiel wurde zu einem Kampfabschnitt unterster Ordnung und von Franzosen wie Deutschen dazu benutzt, abgekämpfte Verbände aus den genannten Großschlachten vor Allem bei Verdun und an der Somme zu regenerieren. Lediglich im mittleren Teil seiner Südflanke verblieben auf deutscher Seite mit der 5. Landwehr-Division für längere Zeiträume dieselben Regimenter, so dass es partiell bereits im Jahr 1916 zu umfangreicheren Arbeiten in Form der Anlage einer zweiten und teilweise auch dritten Linie kam.
Auf die für den Frontbogen von St. Mihiel relevanten Planungen hatte im Jahr 1917 neben den Erfahrungen
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Auch wenn die Alliierten bei ihren Angriffen trotz aller Bemühungen und trotz massivsten Materialeinsatzes keinen entscheidenden Durchbruch erzielen konnten, wurde die deutsche Verteidigung stetig weiter Richtung Osten gedrückt. Dazu trugen einerseits regional erfolgreiche Operationen bei wie die als "schwarzer Tag des deutschen Heeres" bekannt gewordene Schlacht bei Amiens ab dem 8. August 1918, andererseits aber auch bewusste Rücknahmen der Frontlinie wie beispielsweise die Aufgabe des Kemmelberg-Massivs zwischen Ypern und la Bassée zu Beginn des Monats September 1918 oder die gezielte Räumung weiterer Gebiete und die Einnahme von Auffang-Stellungen. Die bekannteste dieser von den Deutschen teilweise weit hinter der Front errichteten Auffang-Stellungen war die so genannte "Siegfried-Stellung" die die Alliierten "Hindenburg-Line" nannten.
Auch wenn die letztendlich erfolglosen Angriffe der Alliierten auf deutscher Seite als militärischer Sieg propagiert wurden, ergab sich die Schlussfolgerung, dass auf Grund der deutlichen materiellen Überlegenheit des Gegners eine weitere Schlacht wie die Somme-Schlacht für das deutsche Heer nicht mehr zu verkraften sein würde. Am 12. Dezember 1916 zu einem Friedensangebot, das den Gegnern mittels einer entsprechenden Note des Reichskanzlers Bethmann-Hollweg unterbreitet wurde.
Die Abwehrerfolge der deutschen Truppen im Frühjahr 1917 fußten auf grundlegenden Änderungen der Befehlsstrukturen und auch der Angriffs- und Verteidigungstaktik, die bereits Mitte des Jahres 1916 .
Der Monat August 1918 brachte für das deutsche Heer den Verlust all derjenigen Gebiete, die es in fünf großen Angriffsoperationen (Unternehmen Michael, Georgette. Blücher, Gneisenau und Marneschutz) erobert hatte. Die deutschen Truppen wollten mit dieser im März 1918 begonnenen "Großen Schlacht in Frankreich" die Entscheidung erzwingen. Obwohl sie bis etwa 70 Kilometer an die französische Hauptstadt Paris herankamen, standen sie wenige Monate später abgekämpft und um die wesentlichen Heeresreserven beraubt wieder in ihren Ausgangsstellungen. Im September 1918 eröffneten die Alliierten im Gegenzug mehrere Großoffensiven. An mehreren Stellen durchbrachen sie die deutschen Verteidigungsstellungen. Der Krieg war für Deutschland nicht mehr zu gewinnen. Wie kam es dazu?