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Hartwig Kantorowicz Actien-Gesellschaft

12/9/2016

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Im Bereich des deutschen Stellungssystems im südlichen Frontbogen von St. Mihiel fand sich kürzlich dieses zunächst unscheinbare, dann jedoch nach weitergehenden Recherchen interessante Relikt aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Eine Flasche der Posener Likör-Manufaktur Hartwig Kantorowicz AG.
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Hartwig Kantorowicz (* 1806; † 1871) war ein Unternehmer in der preußischen Provinz Posen und Mitglied der jüdischen Gemeinde. Die Provinz Posen ging aus der historischen Region Großpolen hervor und wurde auf dem Wiener Kongress Preußen zugeschlagen. Posen war der einzige Verwaltungsbereich im Staat Preußen mit mehrheitlich nicht-deutscher Bevölkerung. 1823 gründete Hartwig Kantorowicz im Alter von nur 17 Jahren in der Stadt Posen (polnisch: Poznan) eine Brennerei und Likörfabrik, die auf Grund der hohen Qualität der Produkte schnell überregionale Bekanntheit erlangte. Nach und nach kamen weitere Firmensitze und Filialen hinzu, so auch in Hamburg und Berlin.
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Eduard von Flotwell, * 1786; † 1865
Bereits im Jahr 1832 wurde Hartwig Kantorowicz durch den damaligen Oberpräsidenten der Provinz Posen, Eduard von Flottwell, die Naturalisation gewährt. Von Flottwell hatte die polnische Nationalbewegung bekämpft, um, wie er sich ausdrückte, "die polnische Provinz für Preußen zu gewinnen". Er protegierte das arme Bürgertum und förderte vor Allem die Emanzipation der polnischen Juden. 1833 erließ er mit der "Vorläufige(n) Verordnung wegen des Judenwesens im Großherzogtum Posen", eine Vorschrift, die sich an die in Preußen bereits seit einigen Jahren gültigen Regularien für die beabsichtigte Integration der jüdischen Bevölkerung anlehnte. Mit diesen nach damaligen Maßstäben durchaus liberalen und modernen Regelungen wurde es vielen Juden möglich, sich selbstbestimmt und erfolgreich am gesellschaftlichen und geschäftlichen Leben zu beteiligen.
Zudem, dort ist einer der Anknüpfungspunkte zum Thema Erster Weltkrieg, wurde es durch die Verordnung polnischen Juden gestattet, als Freiwillige in den preußischen Militärdienst einzutreten. Dies taten viele junge Männer mit großem Enthusiasmus, denn sie waren dem preußischen Staat dankbar für die erhaltenen Freiheiten und wollten durch die militärische Laufbahn sich und ihren Familien weitergehende Gleichstellung und Reputation verschaffen. Letzteres gelang in der politischen Entwicklung Deutschlands bekanntlich nur übergangsweise.
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Chanukka-Feier 1916 an der Ostfront
Im Jahr 1885 wurde als viertes Kind eines der Söhne des Firmengründers der Historiker und Mediaevist Ernst Hartwig Kantorowicz geboren. Mit ihm findet sich der zweite Anknüpfungspunkt für die Einbindung des Fundstücks in das Thema Erster Weltkrieg.
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Militärpass FAR 20
Aus einer kaufmännischen Ausbildung in Hamburg heraus meldete sich Ernst Hartwig Kantorowicz unmittelbar zu Kriegsbeginn als Freiwilliger zum Militärdienst. Er wurde dem 1. Posenschen Feldartillerie-Regiment Nr. 20 zugeteilt, einer hochangesehenen, traditionsreichen Einheit. Mit seinem Regiment war Kantorowicz ab September 1914 im Frontbogen von St. Mihiel eingesetzt. Bis in das Jahr 1916 nahm er an den Gefechten im Bereich der Grande Tranchée de Calonne, auf der Combres-Höhe und in der Woevre-Ebene teil. Zeitweise war das Regiment auch in den intensiven Kämpfen bei Verdun eingesetzt. Kantorowicz war insoweit für etwa zwei Jahre nahe desjenigen Frontabschnitts, wo andere deutsche Soldaten ebenfalls zu Kriegszeiten eine Flasche Likör aus dem Repertoire des Familien-Unternehmens genossen hatten.
Ernst Hartwig Kantorowicz wurde nach dem Krieg bekannt unter Anderem durch sein umfassendes Werk über Friedrich II sowie das in den 1930er Jahren entstandene und 1963 wiedererschienene Buch "Götter in Uniform".  Seine politische Einstellung war wie die seines Großvaters und Vaters sowie vieler Juden im polnischen Teil des deutschen Reichs streng deutsch-national und antizionistisch. Nach dem Krieg studierte Kantorowicz in Berlin, München und Heidelberg Nationalökonomie und Alte Geschichte. Im Januar 1919 nahm er an der blutigen Niederschlagung des Berliner Spartacus-Aufstandes sowie im März desselben Jahres an der Bekämpfung der Münchener Räterepublik teil.
In Heidelberg studierte Kantorowicz neben Personen wie Joseph Goebbels. Dort erhielt er auch Zugang zu dem Kreis um den Schriftsteller und Lyriker Stefan George. Ab 1930 hatte Kantorowicz eine Professur für mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte an der Universität Frankfurt a. M. inne. Wegen seiner Kriegsteilnahme blieb er von den Nationalsozialisten zunächst verschont. 1934 kritisierte er die neuen Machthaber und bat um seine Beurlaubung "solange die Benachteiligung der national eingestellten Juden dauere". Kantorowicz wurde aus dem Öffentlichen Dienst entfernt. 1938 emigrierte er in die USA und lehrte an den Universitäten Berkeley und Princeton. Er starb im Jahr 1963 in Princeton.
Die Flaschen der Firma Kantorowicz wurden in renommierten schlesischen, sächsischen und tschechischen Glasfabriken hergestellt und waren qualitativ hochwertig gestaltet. Sie trugen zumeist das auch auf der Flasche aus dem Frontbogen von St. Mihiel zu findende Konterfei in Form eines Hexagramms, eines Lachses in dessen Mitte als Symbol der Destillateure und Likör-Hersteller sowie die Initialen des Firmengründers H und K. Die gefundene Flasche enthielt einen der vielen Liköre des Unternehmens mit holländischem Bezug.
Da die Unternehmensstruktur und die Produktion der Spirituosen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs grundlegend verändert wurde, sind entsprechende Flaschen heute recht selten. Hartwig Kantorowicz musste sein Unternehmen Anfang der 1920er Jahre an den neu gegründeten polnischen Staat für 20 Millionen Reichsmark veräußern und siedelte nach Berlin über, wo er unter Regie des Schultheiss-Konzerns ein neues Unternehmen gründete. Im Jüdischen Museum Berlin sind einige teils sehr filigran gearbeitete Flaschen-Exemplare aus der ursprünglichen Unternehmenszeit in Posen zu bewundern.
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Das hiesige Fundstück, das bei genauerer Befassung mit seiner Historie einen intensiven und sehr vielschichtigen Einblick in die jüngere deutsche Geschichte ermöglicht, wird zeitnah ebenfalls Teil einer musealen Präsentation werden.
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